Athen/Istanbul - Eine kurzfristig abgesagte Reise in die USA diese Woche, massive Angriffe durch die Opposition und Zweifel am Sinn jüngster Sparmaßnahmen, lassen die Regierung des griechischen Premierministers Giorgos Papandreou nun immer zerbrechlicher erscheinen. Finanzminister Evangelos Venizelos mühte sich am Wochenende, Spekulationen über einen unmittelbar bevorstehenden Bankrott des Staates als "lächerlich" zurückzuweisen. Papandreou gab am Samstag in einer E-Mail bekannt, dass er seine Reise nach Washington und zur UN-Vollversammlung in New York wegen der "kritischen" Lage zu Hause nicht antrete.

Finanzminister geschwächt

Mehr noch als Papandreou scheint Finanzminister Venizelos in der griechischen Öffentlichkeit durch die Behandlung geschwächt, die er von seinen Amtskollegen in der Eurozone erfährt. Der schwergewichtige Minister konnte die EU-Regierungen vergangene Woche nicht vom Sanierungskurs überzeugen und musste eine weitere Vertagung der Entscheidung über die Auszahlung der nächsten Kredittranche von acht Milliarden Euro bis Anfang Oktober schlucken.

Der Vorsitzende der konservativen Nea Dimokratia, Antonis Samaras, forderte sofortige Neuwahlen. Seine Partei, die von 2004 bis 2009 regierte und zum Großteil für die Zerrüttung der Staatsfinanzen verantwortlich gemacht wird, hat in den Umfragen Papandreous Sozialisten nun deutlich distanziert. Eine Neuverhandlung des Memorandums mit der EU, EZB und IMF über die Kredithilfe sei realistisch, behauptete Samaras am Wochenende in einer Rede auf der internationalen Handelsmesse in Thessaloniki.

Notsteuer im Parlament

Eine Gesetzesvorlage für eine Notsteuer auf Grundbesitz kommt diese Woche ins Parlament. Immobilienbesitzer sollen demnach dieses und nächstes Jahr bis zu 16 Euro pro Quadratmeter zahlen. Die orthodoxe Kirche ist davon ausgenommen. (Markus Bernrath, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 19.9.2011)