Berlin ist doch nicht Stuttgart. Wenn der Grüne Winfried Kretschmann bei der Landtagswahl im konservativen Baden-Württemberg bis in die Staatskanzlei durchmarschieren kann, dann wird Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast im eher linken Berlin erst recht den Bürgermeistersessel erobern können, hat sich so mancher noch im Frühjahr gedacht.

Weit gefehlt. Bei der Wahl in Baden-Württemberg gab es zwei zentrale Themen, die den Grünen halfen: der Kampf gegen den Bahnhof Stuttgart 21 und die Antiatomstimmung nach der Atomkatastrophe von Fukushima. Der Berliner Wahlkampf hatte keine solch bewegenden Themen, er plätscherte zwischen Mieterhöhungen, Lehrermangel und Autobahnausbau dahin.

Im Ländle könnten die Grünen zudem hemmungslos auf den ohnehin unbeliebten Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) einhauen. Künast tat sich damit schwerer, zum einen, weil der Berliner "Regierende" Klaus Wowereit (SPD) enorm populär ist, zum anderen, weil sie die SPD ja als Juniorpartnerin in der Koalition haben wollte.

Viel zu spät stoppte Künast auch das Gerede über eine mögliche schwarz-grüne Koalition, das potenzielle Grün-Wähler verschreckte. Dann erklärte sie auch noch, nur als Bürgermeisterin in Berlin zur Verfügung zu stehen, ansonsten lieber in die Bundespolitik zurückzukehren. Das war vielen Wählern offensichtlich zu arrogant und abgehoben. (DER STANDARD-Printausgabe, 19.9.2011)