Auch frühere Preisträger kommen gerne: Bill Clinton (2000), Helmut Kohl und Fran¸cois Mitterrand (1988), Václav Havel (1991) und auch Franz Vranitzky (1995) zum Beispiel haben die Karlsmedaille bereits stolz durch die engen Gässchen um den Dom getragen. Am Donnerstag ist der frühere französische Staatschef Valéry Giscard d'Estaing an der Reihe. Als Präsident des EU-Reformkonvents sei er zu einer "entscheidenden Antriebsfeder" für das neue Europa geworden, begründete die Jury ihre Wahl.
Ob sein Bemühen um einen europäischen "Verfassungsvertrag" im Konvent tatsächlich mit Erfolg enden wird, muss sich erst herausstellen. Die 210 Mitglieder sind tief zerstritten, und ihr Präsident überdies umstritten. Dem 77-Jährigen wird von Einzelnen allzu autoritäres Gehabe vorgeworfen. Er schlage etwa an der Mehrheit vorbei die Schaffung eines Präsidenten für Europa vor.
Eigensinn, Überheblichkeit, Bosheit, ja sogar Geld- und Geltungssucht, das waren in der langen Laufbahn des Franzosen stets die Eigenschaften, die politische Gegner und Kritiker dem liberalen Politiker vorwarfen. Im persönlichen Umgang zeigt sich meist ein ganz anderer: Giscard d'Estaing tritt da auf wie die Inkarnation des idealen Großvaters - geduldig, abgeklärt, am anderen interessiert, mit stets neuen Einfällen, sehr liebenswürdig und höflich.
Auch von Gegnern unbestritten ist die intellektuelle Schärfe des Absolventen der legendären Elitehochschule ENA (wo sich fast alle französischen Staatsmänner ihren Schliff geholt haben). Ganz in deren Tradition hat er sich selten gescheut, elitäre politische Ziele zu verfolgen. Das war so, als er in den 70er-Jahren als Staatspräsident in Frankreich ein neues Scheidungsrecht durchsetzte sowie eine liberale Gesetzgebung zur Abtreibung. Weit voraus war er bei einem für Europa folgenreichen Schachzug, gemeinsam mit dem deutschen Kanzler Helmut Schmidt): Sie schufen das Europäische Währungssystem, Vorläufer des heutigen Euro.