Wenn zum Glück auch nicht das Schlüsselbein, bricht einem doch auf der Stelle das Herz, wenn sich neben einem plötzlich weit über hundert Jahre Moto Guzzi ausbreiten. Ein kurzes Quietschen, ein blockiertes Vorderrad und die Guzzi liegt samt Fahrer im Straßengraben. Doch der Italiener, der wohl irgendwann rund um die Zeit, als Moto Guzzi 1934 der größte italienische Motorrad-Hersteller war, geboren worden sein dürfte, steht aber schnell wieder neben seiner Maschine. Es könnte gut sein, dass die Guzzi aus den 1950er-Jahren sein erstes Motorrad war und er Carlo heißt.

Foto: Guido Gluschitsch

An den Iden des März 1921 gründen der Flugzeugtechniker Carlo Guzzi und der Heeresflieger Giorgio Parodi in Mandello del Lario die Aktiengesellschaft Moto Guzzi. Von 16. bis 18. September feierte der Motorradhersteller seinen 90 Geburtstag dort, wo heute noch die Fabrik steht.

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1973 kaufte De Tomaso das Unternehmen, 2000 übernahm es der Aprilia-Besitzer Ivano Beggio, seit 2004 gehört Moto Guzzi zur Piaggio-Gruppe. Und so ist es am Freitag auch an Piaggio-Boss Roberto Colaninno, zu verlautbaren, dass nach seinen Erwartungen rund 20.000 Guzzisti an den drei Tagen in Mandello del Lario, am Lago die Como, feiern werden.

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Weit gefehlt. Schon Samstag zu Mittag ist klar, dass die 20.000er-Marke gesprengt wird. Auf allen Zufahrtsstraßen staut es sich, weil Kolonnen neuer und alter Moto Guzzis anreisen.

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Dabei ist der ganze Ort bereits das größte Guzzi-Museum, das es je gegeben hat. Dort fährt ein Dreiradler – einmal als Lastesel, einmal als Puppen-Hutschen -, hier ein Moped, da ein Roller.

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Die Carabinieri patrouillieren auf historischen Carabinieri-Guzzis, die ihnen das Museum zur Verfügung stellte.

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Nur wenige Meter vor dem Eingang der Fabrik steht eine Falcone mit Kompressor, vorne am See eine Normale, das erste Modell, das Moto Guzzi baute.

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Kleine Wellen des Lago di Como brechen am Ufer. Doch das Rauschen des Sees hört man nicht. In der Zeltstadt, gleich daneben, reißen mehrere Guzzisti ihre Eisen an und beschallen so den ganzen Ort. Jeder Gasstoß wird mit begeistertem Gegröle gewürdigt.

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Einen ähnlichen Wirbel muss es gegeben haben, wenn in der Guzzi-Fabrik der erste Windkanal für Motorräder angeworfen wurde. „Da gingen in der Stadt die Lichter aus, wenn sie Turbine angeworfen haben", erzählt ein alter Mann vor der inzwischen stillgelegten Röhre, am hinteren Ende des Guzzi-Geländes.

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Am Samstag stehen mehr Menschen vor den Fabrikstoren für eine Besichtigung an, als vor den Vatikanischen Museen. Für die Kurzweil der Anstehenden sorgt der Typ auf der Guzzi mit der Uzi.

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Die alte Militärmaschine samt Waffe will und will nicht anspringen. Vier oder fünf Mal tritt er den Starter, bevor er wieder die Kerze herausschraubt, reinigt und erneut montiert. Nach wenigen Minuten kennt man die Prozedur – aber dennoch kann sich niemand von dem Schauspiel lösen.

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Denn was ist, wenn sie nun plötzlich anspringt? Als sich einer der Zuschauer aus der Menschentraube löst, um ganz besonders gute Ratschläge zu erteilen, meine ich, dass ich nun bald die Antwort auf die Frage bekomme, die mich nun schon so lange quält: Ist die Waffe echt?

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Jedenfalls echt ist die neue orange-weiße Version der California 1100, die Roberto Colaninno vorstellt und die in einer limitierten Edition erscheint. Die California feiert heuer ihr 40. Jubiläum, basierte 1971 auf der V7 Special und war auch beim L.A.P.D. im Einsatz.

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Und noch ein Tuch wird gelupft – das von einer Carlo Guzzi-Statue, die nun am Hauptplatz von Mandello steht. Carlo Guzzi, an der Boxenmauer lehnend, weist so auf die sportliche Geschichte der Marke hin. Und es ist gut möglich, dass bald wieder eine Sport-Guzzi kommt.

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Jedes Jahr, hat Roberto Colaninno versprochen, wird bis 2016 eine neue Guzzi auf den Markt kommen. Viel mehr hat er aber nicht verraten – außer, dass jede von ihnen mit einem V2-Motor befeuert wird. Wir dürfen also gespannt sein. Auch, ob die Gerüchte stimmen, dass es nächstes Jahr wieder ein Moto-Guzzi-Treffen geben wird, und zwar in Österreich.

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Dort wird dann auch sicher der vermeintliche Carlo zu sehen sein. Mit seiner alten Guzzi, die dastehen wird wie neu – und ob seine seelischen Narben des Sturzes bis dahin verheilt sind, wird er uns wild gestikulierend erzählen.

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Information:

Offizielle Seite Moto Guzzi Treffen 2011

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Die Reise nach Mandello del Lario basiert auf einer Einladung von Moto Guzzi.

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