
Kurto Wendt: "Sie sprechen mit Jean Améry, was kann ich für Sie tun?"
Milena Verlag
ca. 200 Seiten
€ 16.90
ISBN 978-3-85286-212-5
"Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben ein spannendes Leben und verbleibe hochachtungsvoll nicht mehr der Ihre, Frank Smutny". Mit diesen freundlichen, aber entschiedenen Worten nimmt der Protagonist aus Kurto Wendts Roman Abschied vom Bundespräsidenten der Republik Österreich. Denn Frank verlässt sein Heimatland Österreich für immer und legt deshalb auch seine Staatsbürgerschaft zurück, auf dass sie einem/er MigrantIn besser nützlich sei.
Bescheiden, vereinzelt, zynisch
Bei Frank aus "Sie sprechen mit Amery, was kann ich für Sie tun" haben wir es mit einem klassischen Anti-Helden zu tun: Der 32-Jährige hat kaum soziale Kontakte, ist Dauerkunde beim AMS und verspürt nicht die leiseste Ambition in seinem Leben. Mit den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen ist er selbstredend nicht zufrieden, aber wie so viele andere in seiner Generation hält er die Möglichkeit, selbst an diesen Entwicklungen etwas zu verändern, für aussichtslos. Frank lebt also bescheiden, vereinzelt und zynisch vor sich hin, bis er eines Tages in den "Genuss" einer Zwangsmaßnahme des AMS gerät und für sechs Wochen in einem Callcenter eines Mobilfunkbetreibers arbeiten muss.
Dort trifft eine geheimnisvolle Telefonanruferin in sein Leben. Mit einem schlichten "Was erwartest du noch vom Leben?" beginnt sie ihre telefonische Inquisition und Frank gerät darüber gewaltig ins Stottern. Die Zeit der Ausflüchte scheint vorbei - oder doch nicht? Was nun folgt ist Franks Coming of Age zu einer aktiven, politischen Person, auch wenn sie vor dem äußersten Schritt der politischen Revolte schlussendlich zurückschreckt.
Flott erzählter Stadtroman
Mit liebevollen, zum Teil sehr witzigen Detailbeobachtungen auf die Abgründe der modernen Arbeitswelt ist das Buch ein flott erzählter Stadtroman, der vor allem LeserInnen aus dem Wiener Raum mit vielen Bildern bekannter öffentlicher Plätze lockt. Wendt, der selbst mit einer bewegten politischen Vergangenheit aufzuwarten hat (er organisierte etwa die wöchentlichen Donnerstagsdemos gegen Schwarz-Blau), interveniert bis heute mit verschiedensten Aktionen in den politischen Diskurs. Mit seinem ersten Roman hat er neue Seiten an sich aufgeschlagen, und die flattern, wie mensch so hört, nun auch weiter. Für 2012 ist ein neuer Roman geplant, der sich dann den Nöten einer weiblichen Protagonistin widmen wird, so hat er es zumindest dem Falter verraten. Wir können schon gespannt sein, wie sie den gegenwärtigen gesellschaftlichen Zumutungen trotzen wird. (freu, derStandard.at, 19.9.2011)