Graz - Auch österreichische Universitätsbibliotheken profitierten nach dem "Anschluss" im März 1938 vom beschlagnahmten Eigentum vor allem der jüdischen Bevölkerung, aber auch politisch verfolgter Personen und Institutionen. Wie viele geraubte Bücher sich in den Beständen der Unibibliothek (UB) der Uni Graz befinden, will man an der Universität Graz in den kommenden zwei Jahren erheben, teilte die Grazer Uni am Montag mit.
Nach dem "Anschluss" 1938 gelangten große Mengen von beschlagnahmten Publikationen aus dem Eigentum der jüdischen Bevölkerung und politisch verfolgten Personen in die eigens dafür gegründete Bücherverwertungsstelle in Wien. Von dort wurden sie an verschiedene Institutionen weiter verteilt. An der Grazer UB wurde bereits im Jahr 2010 eine Dissertation über die Geschichte der Universitätsbibliothek und insbesondere über bedenkliche Eingänge aus den Jahren 1938 bis 1945 verfasst. Katharina Bergmann-Pfleger hatte damals an die 4.000 Druckwerke lokalisiert, deren Herkunft weiter zu hinterfragen sei.
Untersuchungszeitraum
Zugleich erkannte man, dass zur Erhebung aller restitutionsverdächtigen Bücher der Untersuchungszeitraum auch auf die Zeit nach 1945 ausgedehnt werden muss: "Während des Krieges kamen die Bücher in den Bestand der UB, wurden aber aufgrund von akutem Arbeitskräftemangel erst viel später inventarisiert, sodass die Herkunft der Werke nur schwer rückverfolgt werden kann", erklärt Erich Renhart, Leiter der Abteilung für Sondersammlungen der UB. Der Untersuchungszeitraum wurde daher bis zum Jahr 1955 ausgeweitet.
Wie viele Bücher verdächtiger Herkunft sich derzeit in der UB Graz befinden, sei "noch völlig unklar", so Renhart. Umso wichtiger sei es deshalb, endlich mit der Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der Geschichte zu beginnen. Die beiden Grazer Wissenschafter Markus Lenhart und Birgit Scholz begeben sich nun auf die systematische Spurensuche. Das Forschungsprojekt ist auf zwei Jahre anberaumt, danach wird eine erste Zwischenbilanz erwartet.
"Es ist mir ein großes Anliegen, dass die Provenienzforschung auch für die UB Graz endlich auf den Weg gebracht wird. Ziel ist vor allem, den rechtmäßigen Erbinnen und Erben die Bücher zurückzugeben, die für sie von großem persönlichen Wert sein könnten", hält Irmtraud Fischer, Vizerektorin für Forschung und Weiterbildung an der Uni Graz, fest. (APA)