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Die Investoren ziehen gleich einer Karawane dort hin, wo es ertragreich ist.
Die aktuelle Schuldenkrise ist mehr als untypisch. Erstmals seit dem Ende des zweiten Weltkriegs geht es nicht um Schwellenländer in Asien, Osteuropa oder Lateinamerika, die von Schuldenbergen erdrückt werden, sondern um Industrienationen. Doch die Entwicklung geht derzeit noch einen Schritt weiter, denn wegen der Krise bei Staatsanleihen in Europa, suchen Investoren Schutz in Schwellenländern. "Das US-Downgrade war das ultimative Symptom der Konvergenz der Kreditwürdigkeit von Schwellen- und Industrieländern, es scheint, das alte Denkmuster zum Risiko in Schwellenländern trifft nicht mehr zu," analysiert etwa Pablo Goldberg, Schwellenländerexperte bei der britischen Bank HSBC.
Die aufstrebenden Volkswirtschaften stehen nämlich anhand der nackten Zahlen finanzpolitisch außergewöhnlich gut da, trotz der globalen Rezession. Aktuelle Schätzungen des Internationalen Währungsfonds deuten darauf hin, dass die Staatsschulden in Prozent der Wirtschaftsleistung auf knapp 30 Prozent im Jahr 2015 sinken werden, in den entwickelten Ländern werden es dann über 100 Prozent sein. Das Wachstum dürfte sich nach neuen Schätzungen, die diese Woche veröffentlicht werden, zwar abkühlen, aber weiterhin hoch sein, bislang geht der IWF von 6,6 in diesem und 6,4 Prozent Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr aus.
Kein Wunder also, dass die Nachfrage von Investoren nach Schwellenländer-Anleihen nahezu ungebrochen ist. Laut des Datendienstes Emerging Portfolio Fund Research (EPFR) fließt auch in der aktuellen Krisenphase seit August frisches Geld in Schwellenländer-Anleihen-Mandate. 2010 erlebte diese Anlageklasse einen neuen, deutlichen Rekord an Zuflüssen, 75 Milliarden Dollar sind in Schwellenländer-Bonds veranlagt worden. Das hat direkt mit der erhöhten Kreditwürdigkeit zu tun. Laut Standard & Poor's werden die Schwellenländer im Schnitt mit BBB- bewertet, damit gelten sie als Investment-Grade und sind damit auch für viele institutionelle Anleger investierbar.
Size matters
Doch freilich hat die aktuell hohe Nachfrage für Schwellenländer-Bonds nicht nur mit der Risiko-Seite zu tun, sondern auch mit der Ertragsseite. Denn angesichts der rekordtiefen Zinsen in Industrienationen und negativen Realzinsen (nach Inflation) sind Länder wie Brasilien, die mehr als fünf Prozent reale Verzinsung bei Anleihen haben, attraktiv.
Dabei wird ein Risiko oft übersehen. Der Markt ist immer noch sehr klein in Relation zu den internationalen Kapitalmärkten, Hartwährungs- und Lokalwährungsanleihen von Schwellenländern zusammen machen zwölf Prozent des internationalen Kapitalmarktes aus, laut einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung McKinsey machen die Kapitalmärkte der Schwellenländer insgesamt nur 17,6 Prozent aus. Bereits kleine Fondsflüsse können daher signifikante Auswirkungen auf die preisbewegungen der Märkte haben.
So sind die Aufschläge von Schwellenländeranleihen gegenüber US-Papieren in der turbulenten Marktphase seit Anfang August stark gestiegen, von 290 auf über 390 Basispunkte. Für manche Investoren ein Zeichen dafür, dass Schwellenländer-Bonds trotz Risiken wie Inflation teuer waren: "Die Zinsaufschläge sind bis in den Sommer bereits sehr stark gesunken gewesen, da verlieren Investoren den Risikopuffer und möglicherweise schnell viel Geld," sagt Christopher Wyke, Produktmanager des 7,5 Milliarden Dollar schweren Schroders ISF Emerging Markets Debt Absolute Return Fonds. Das Fondsmanagement setzt dabei auf einen Absolute Return Ansatz, möchte also positive Renditen auch in schwachen Marktphasen erwirtschaften.
Das Schroders-Portfolio hat daher bereits vor dem Sommer das Risiko in dem Fonds reduziert, "wir sind sehr defensiv geworden und haben nur noch in geringem Umfang in Anleihen investiert", sagt Wyke. Denn: "Die Zuflüsse in die Assetklasse waren außergewöhnlich stark, und daher anfällig für einen Sell-off", warnt Wyke.
Indirekt wird damit auch die Schuldenkrise in den USA und Europa zu einem Risiko für Schwellenländer. Weil Investoren aus weiten Teilen europäischer Anleihen fliehen, treiben sie die Preise in den Emerging Markets hoch - und erhöhen so das Risiko einer überschießenden Korrektur, wenn sie später ihr Geld wieder abziehen. (Lukas Sustala, derStandard.at, 19.9.2011)