Vizekanzler Michael Spindelegger hat bei der Klausur des ÖVP-Klubs vergangenen Freitag in Wien mit der Ansage die Mindestsicherung evaluieren zu wollen, aufhorchen lassen. Es werde Missbrauch damit betrieben, meinte er, und sozialer Missbrauch sei „Missbrauch der Kultur dieses Landes".
Aber nicht nur sozial Bedürftige waren dem ÖVP-Chef bei der Klausur ein Dorn im Auge. Auch die Studierenden nahm er hinsichtlich der Einführung von Studiengebühren in die Mangel: "Es wäre gelacht, dass man von einem zukünftigen Großverdiener nicht 500 Euro im Semester einheben könne."
Dabei vergisst der ÖVP-Chef: Akademiker sind nicht automatisch Spitzenverdiener. Auch wenn die OECD Österreichs AkademikerInnen ein höheres Gehalt als es der Durchschnitt in Österreich hat, ausweist, gibt es große Unterschiede im Einkommen zwischen den Studienrichtungen und den Geschlechtern. Mediziner, Ingenieure und Sozialwissenschaftler berichten in einer Studie im Auftrag des Wissenschaftsministerium (durchgeführt vom Internationalen Zentrum für Hochschulforschung Kassel) über ein deutlich höheres Einkommen als Geistes- und Kulturwissenschaftler, Künstler und Naturwissenschaftler. In allen Fachrichtungen ist allerdings das Einkommen der Frauen geringer (im Durchschnitt 22 Prozent) als das der Männer.
Große Unterschiede gibt es auch zwischen den Studienrichtungen: Während das Durchschnittseinkommen aller befragten Absolventen bei 2856 Euro brutto monatlich liegt, kommen Absolventen der Kunstunis nur auf 1797 Euro. Man kann also nicht alle Studienabsolventen über einen Kamm scheren.
Apropos Studiengebühren. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, der ja 500 Euro pro Semester vorgeschlagen hat, hat am Wochenende als letzten Ausweg eine Volksbefragung über Studiengebühren gefordert. Die Bevölkerung soll also abstimmen, ob Gebühren kommen sollen oder nicht. Was wird da schon herauskommen? Natürlich sollen sie zahlen, Studenten sind in der Bevölkerung nicht gerade beliebt.
Laura Rudas, Bundesgeschäftsführerin der SPÖ, hat den Vorschlag zwar abwartend, aber positiv aufgenommen. Sie bezeichnete eine Volksbefragung als ein "Instrument der direkten Demokratie".
Dass sich Rudas, die sich wie die gesamte SPÖ gegen Studiengebühren wehrt, hier nur nicht irrt. Kommt es zu einer Volksbefragung, sind Studiengebühren alles andere als weit entfernt. Aber vielleicht sucht sie ja nach einer Ausrede, warum Studiengebühren doch ein zuführen sind: wegen des Volkes Willen. (derStandard.at, 19.9.2011)