Wahnsinn, krass und geil. Dies sind bei den Berliner Piraten seit Sonntagabend die am häufigsten gehörten Worte. Es ist selten, dass eine Partei schon kurz nach der Gründung direkt in den Landtag gewählt wird. Genau das stellt die Piraten jetzt vor einige logistische Probleme. Sie haben noch viel zu wenig Personal. 15 Kandidaten nur standen auf der Landesliste, sie alle sind nun auch im Landtag vertreten. Hätten die Piraten noch mehr Mandate bekommen, die Sitze für diese wären leer geblieben.

Tipps für die praktische Parteiarbeit können sich die Piraten bei einem prominenten Mitglied holen: bei Angelika Beer, die von 2002 bis 2004 Chefin der deutschen Grünen war und 2009 in die Piratenpartei eintrat. Mit Parteihierarchien hat man es bei den Piraten aber ohnehin nicht so. Zwar gab es mit Andreas Baum einen Spitzenkandidaten, der aber bekam den Platz per Losentscheid.

Gegründet wurde die deutsche Piratenpartei 2006. Deutschlandweit hat sie mittlerweile 12.000 Mitglieder, 1300 davon gehören zum Berliner Landesverband, der Ansturm in den letzten Tagen vor der Wahl war enorm.

Der Erfolg der Piraten hat die etablierten Parteien ziemlich aufgeschreckt. Renate Künast, die Spitzenkandidatin der Berliner Grünen, sagte, die Grünen müssten versuchen, die Piraten zu "resozialisieren" - was diese allerdings dankend ablehnen.

Tatsächlich fischte die junge Partei bei der Berlin-Wahl hauptsächlich im grünen Teich. 16.000 frühere Grün-Wähler machten diesmal bei den Piraten ihr Kreuz. Von den Sozialdemokraten kamen 13.000 Wähler, von der Linken 12.000. Am stärksten aber konnten die Piraten Nichtwähler mobilisieren, insgesamt 21.000. Kanzlerin Angela Merkel adelte den Erfolg, indem sie einräumte: "Das ist klassischer Protest, das müssen wir ernst nehmen."

Die Piraten selbst verstehen sich als "Partei der Informationsgesellschaft" . Ursprünglich traten sie für den freien Austausch von Daten und Wissen im Internet ein, also auf das "Recht auf Privatkopien und ein Ende der Kriminalisierung von Tauschbörsennutzern" . Sie fordern außerdem freien Zugang zu Bildung, lehnen somit Studiengebühren ab.

Die Piraten wünschen sich auch ein Grundeinkommen für alle, in Berlin soll der öffentliche Nahverkehr kostenlos werden. Beim Wahlalter geht man auch neue Wege. Es soll auf null herabgesetzt werden. Jeder, der sich reif für eine Wahl fühlt, soll teilnehmen. (bau/DER STANDARD, Printausgabe, 20.9.2011)