Pickelige, blassgesichtige Computer-Nerds, die tagaus, tagein vor dem Bildschirm sitzen - dass dieses Klischee nicht stimmt, haben die Piraten bei ihrer Wahlparty nach der Berliner Landtagswahl bewiesen. Ein buntes Völkchen, gepierct, bebrillt, tätowiert, gelegentlich mit Piratentuch, feierte da seinen Einzug in den Berliner Landtag.
Dass der Erfolg mit neun Prozent so groß sein würde, hat auch die Piraten selbst überrascht. Aber eine Erklärung dafür gibt es schon: Die Meinungsforscher, die vor Wahlen Umfragen fabrizieren, rufen ja zur Wählerbefragung immer am Festnetz an, aber: Welcher Pirat hat noch ein Festnetztelefon?
Laptop und Smartphone, das ist die Grundausstattung des modernen Freibeuters. Denn ursprünglich interessierte sich der Pirat für Freiheit im Internet. Kinderporno-Seiten wollte die deutsche Bundesregierung im Netz sperren. Das fand der Pirat gar nicht gut. Nicht weil ihm derlei Grausamkeiten per se zusagen, sondern weil er gegen Zensur im Netz eintritt.
Generell ist der Pirat eher männlich und jung. In Berlin zeigt das auch ein Blick auf die Statistik: 14 der 15 Kandidaten für die Landesliste sind Männer. Zufall, sagen die Piraten - räumen aber selbst ein, dass die Partei ein sehr technik-affines Image hat. Das Durchschnittsalter liegt bei 29 Jahren, und in dieser Altersklasse haben sie auch die meisten Wähler. 15 Prozent der 18- bis 34-Jährigen machten ihr Kreuz am Sonntag bei den Piraten.
Vielleicht hätte sich der Pirat auch gar nicht weiterentwickelt, sondern sich bloß um schrankenlose Freiheit im Internet gekümmert. Doch das Wutbürgertum ist in Deutschland jetzt sehr en vogue: Sich nicht alles gefallen lassen, doch aufstehen und protestieren, das können nicht nur die Bürger in Stuttgart. Der digitale Wutbürger setzt mit seinem Kreuz bei der Piratenpartei ja nicht nur ein Votum für mehr Freiheit im Internet.
Er protestiert damit auch gegen die etablierten Parteien, gegen Mauschelei in den Hinterzimmern. Er will, dass Politik transparent abläuft, er will im Internet mitbestimmen. In Berlin durfte er das bei den Wahlplakaten. Die stammten nämlich nicht aus einer Agentur, sondern man hat sich einfach selbst fotografiert und somit sehr von den anderen abgehoben. Daheim ist der Pirat eher in der Stadt als auf dem Land, aber das ist eigentlich zweitrangig. Seine Welt, sein Wohnzimmer, das sind ohnehin soziale Netzwerke im Internet. (Birgit Baumann/DER STANDARD, Printausgabe, 20.9.2011)