Zu den munter vor sich hinsprudelnden schlechten Nachrichten aus Griechenland zählt auch der Zustand der Medien selbst. Deren Krise begann schon 2008 mit dem Einbruch bei den Werbeeinnahmen und allem, was er in Redaktionen mit sich zu bringen pflegt (Kündigungen, Gehaltskürzungen, Vertragsänderungen). Seit Budgetlügen und Rezession Anfang 2010 offenkundig wurden, dürfte dieser Markt nochmals um ein Drittel geschrumpft sein. Ein dieser Tage veröffentlichter Bericht von Reporter ohne Grenzen (RSF) zur Lage der Medien im Krisenstaat Griechenland skizziert die Besonderheiten der hiesigen Presse, wo Familienclans und Schiffsreeder regieren und Journalisten mit 500 bis 600 Euro Gehalt im Monat zu den schlecht Bezahltesten ihrer Branche in Europa gehören.

Der absehbare Kollaps der griechischen Tagespresse ist die eine Folge der Finanzkrise, die für EU-Staaten beispiellose Gewalt gegen Journalisten, insbesondere Fotoreporter, das andere, noch viel weiter gehende Zeichen für die Auflösung der demokratischen Gesellschaft im Land. RSF porträtiert in dem Bericht Manolis Kypraios, einen sehr erfahrenen Pressefotografen. Er wurde bei einer Demonstration in Athen am 15. August von einem Polizisten – seiner Aussage nach – willentlich mit einer Rauchgranate beschossen und später von anderen Einsatzbeamten verprügelt. Kypraios ist nun invalide, die Ermittlungen laufen. Mit ähnlich gewalttätigen Hass verfolgt das anarchistische Milieu im Land das „Establishment“ der Medien.

Reporter ohne Grenzen stellt in seinem Bericht die These auf, dass Griechenlands Finanz- und Wirtschaftskrise am Ende möglicherweise zu mehr Pressefreiheit führt, in dem das alte Klientelsystem der Medienunternehmen aufgebrochen wird. Mehrere der interviewten Medien-Insider äußern sich in diesem Sinne. Eine andere, schon relativ früh in der Krise gestellte Frage ist aber, inwieweit die griechischen Medien überhaupt in der Lage sind, ihren Job zu machen – nämlich differenziert über das Versagen von Politik, Wirtschaft und Staat zu berichten.

Grundsätzlich hat die Presse in Athen seit den 1980er-Jahren enorm an Bedeutung verloren. Sie stürzte von damals 950.000 Stück verkaufter Auflage auf vielleicht 200.000 Stück an Wochentagen ab. Gratiszeitungen in der U-Bahn in Athen und das Privatfernsehen haben die etablierten Medien ruiniert. Die linksliberale To Vima, die zusammen mit Ta Nea zur Lambrakis-Familie gehört, gab im vergangenen Jahr ihre Wochentagausgabe auf und erscheint nur noch am Sonntag – mit rund 130.000 Exemplaren allerdings noch als wichtigste Sonntagszeitung des Landes, gefolgt vom konservativen Blatt Kathimerini. Die ebenfalls konservative alte Apoevmatini ging im ersten Staatskrisenjahr 2010 bankrott, die liberale Tageszeitung Eleftheros Typos schloss 2009 für mehrere Monate und ging dann neu aufgestellt zurück an den Markt. Sie hat sonntags, wenn Zeitungslesetag ist, gerade einmal etwas unter 20.000 Stück. Bei elf Millionen Einwohnern ist die Presse in Griechenland ein Exotenprogramm geworden. (derStandard.at, 20.9.2011)