"Es gibt nichts darüber, wie österreichische JournalistInnen arbeiten und wie sie unter Druck gesetzt werden. Wir können nicht immer über andere berichten und über uns selber schweigen", beklagt Simon Inou.

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Zum vierten Mal findet heuer die Medien.Messe.Migration statt und zum ersten Mal im Rahmen der Österreichischen Medientage. Mit daStandard.at sprach der Organisator Simon Inou, ob er auch für die "Kronen Zeitung" schreiben würde und wieso er für eine MigrantInnen Quote in den Redaktionen ist.

daStandard.at: Herr Inou, welche Ziele verfolgen Sie mit der Medien.Messe.Migration?

Inou: Die Medien.Messe.Migration wurde gegründet, um eine Plattform zu schaffen, auf der sich ein Teil der medialen Gesellschaft repräsentieren kann. Zweitens wollten wir von der Fremddarstellung zur Selbstdarstellung und nicht mehr nur Objekte sein. Und drittens soll eine Brücke geschlagen werden, zwischen österreichischen Institutionen und Institutionen von MigrantInnen. Wir zeigen aber auch, dass es möglich ist, in Österreich bilingual zu leben. Es gibt neben deutschsprachigen Migranten-Medien auch viele muttersprachliche. Die eigene Muttersprache zu beherrschen, kann auch für Österreich nützlich werden.

daStandard.at: Gibt es einen Punkt, an dem es keine muttersprachlichen Medien mehr braucht?

Inou: Es muss sie geben. Weil es ja auch immer die Generation gibt, die nicht mit Deutsch aufgewachsen ist. Natürlich ist Deutsch eine Voraussetzung. Aber auf jeden Fall soll man die Muttersprache pflegen. Am Beispiel meiner Person: Ohne Französisch richtig zu beherrschen, hätte ich nicht richtig Deutsch lernen können.

daStandard.at: Wann kamen Sie auf die Idee so eine Messe zu machen?

Inou: Das war 2007 im Rahmen einer Arbeit auf der Uni als ich gesagt habe: "Wo sind diese Medien?" Ich habe angefangen verschiedene politische Institutionen über Migranten-Medien zu fragen und habe gemerkt: Sie haben keine Ahnung. Sie wussten ein paar Namen, aber sonst nichts.

daStandard.at: Es werden auch dieses Jahr wieder viele Mainstream-Medien dabei sein. Wie schwer war es denn auch die an der Teilnahme zu überzeugen?

Inou: Heuer war es nicht so schwer. Am Anfang war das anders. Da wussten wohl viele nicht was sie dort tun sollen. Das ist auch von Medium zu Medium unterschiedlich. Letztes Jahr hatten wir die Kronen Zeitung. Das waren harte Verhandlungen.

daStandard.at: Der Innenpolitikchef der Krone hat letztes Jahr gesagt, ein schwarzer Kolumnist sei in der Krone nicht möglich, weil die Gesellschaft dafür nicht bereit ist. Sehen sie das auch so?

Inou: Ich sehe das nicht so. Die Kronen Zeitung hat Angst, dass wenn ein Schwarzer bei ihnen schreibt, sie ein paar LeserInnen verlieren. Ich funktioniere nicht so. Es ist wichtig, dass wir die Gesellschaft ein bisschen schockieren, dass wir aus unseren Gewohnheiten herausgehen. Wenn wir etwas bewegen wollen, ist das entscheidend.

daStandard.at: Die Krone würde vielleicht ein paar LeserInnen verlieren, aber könnte sie nicht auch ein paar neue dazu gewinnen?

Inou: Ja schon, aber soweit denken die nicht.

daStandard.at: Würden Sie selbst eine Kolumne für die Krone schreiben wollen?

Inou: Das hängt vom Thema ab. Würden sie meine Kolumne nicht zensurieren, dann ja. Aber ich glaube, das wird nicht passieren.

daStandard.at: Sie sind 1995 nach Österreich gekommen, in einer Zeit, in der Jörg Haider groß wurde. Was hat sich seither in der Medienlandschaft geändert?

Inou: Die damalige Berichterstattung war schlimm. Wenn von Schwarzen die Rede war, waren es immer die Drogendealer oder die Drogenmafia. Ich habe damals viele Leserbriefe an die Krone geschickt.

daStandard.at: Sind die veröffentlicht worden?

Inou: Nein, keiner. Ich habe ja ständig die Zeitung kritisiert, weil sie Begriffe verwenden, die nicht zu uns passen. Jedenfalls waren alle Zeitungen damals viel weniger sensibel. Heute ist das schon anders. Die Medien haben sich in Bezug auf ihre eigene Sprache geändert. Allerdings sind sehr wenige kritisch, was die Sprache der FPÖ bezüglich MigrantInnen angeht.

daStandard.at: Was stört Sie am meisten an der Berichterstattung über MigrantInnen, Integration etc.?

Inou: Was mich stört ist, das österreichische Medien in Bezug auf MigrantInnen nicht die Initiative ergreifen und sagen: "Wir brauchen euch in unseren Redaktionen." Medien sollten einsehen, dass wir in einer multikulturellen Gesellschaft mit 17 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund leben. Daher bin ich auch für eine dementsprechende Quote in allen Redaktionen, gekoppelt an die Presseförderung. Ein anderer Punkt ist allerdings Rassismus in der Berichterstattung. Das wird nicht thematisiert.

daStandard.at: Können Sie ein Beispiel nennen?

Inou: Wenn zum Beispiel MigrantInnen ständig kriminalisiert werden. Letztens habe ich erst gelesen: "Taschendieb erforscht, Osteuropäischer-Typ". Was soll ein "Osteuropäischer-Typ" sein? Die Ethnie hat in der Berichterstattung in keinem Fall etwas zu suchen. Dadurch werden Gruppen nur stigmatisiert. Den "steirischen Taschendieb" gibt es ja auch nicht.

daStandard.at: Dieses Jahr findet die Messe im Rahmen der Medientage statt. Das Motto ist "Mut". Wo finden Sie waren Medien in den letzten Jahren besonders mutig?

Inou: Es gibt verschiedene Beispiele, etwa im Bereich der Menschenrechte. Seibane Wague ist zu nennen, wo dann das Video aufgetaucht ist und Druck auf den Falter ausgeübt wurde, damit es nicht veröffentlicht wird. Der Falter war mutig und hat sich durchgesetzt. Mut gibt es auch dort, wo sich JournalistInnen heiklen Themen annehmen, wie beim Interview mit dem türkischen Botschafter letztes Jahr.

daStandard.at: Wo fehlt es an Mut?

Inou: Im Bereich Medienjournalismus. Es gibt nichts darüber, wie österreichische JournalistInnen arbeiten und wie sie unter Druck gesetzt werden. Wir können nicht immer über andere berichten und über uns selber schweigen.

daStandard.at: Wie kommt es, dass die Messe heuer erstmals gleichzeitig mit den Medientagen stattfindet?

Inou: Als ich das Konzept 2008 geschrieben habe, bin ich damit zu den Medientagen gegangen. Die haben das abgelehnt. Dieses Jahr sind die Medientage zu uns gekommen und haben gesagt, sie finden die Medien.Messe.Migration interessant und wollen beides gemeinsam gestalten.

daStandard.at: Zuerst wollte man Sie nicht und dann ist man zu Ihnen gekommen?

Inou: Ja genau. Und das ist Österreich (Yilmaz Gülüm, 20. September 2011, daStandard.at)