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Bis 15 Millionen türkische Schüler ihr eigenes Tablet bekommen, dauert es jetzt doch etwas länger.
Das neue Schuljahr hat für viele junge Türken diese Woche mit einer Enttäuschung begonnen. Von den 15 Millionen Tablet-Computern, die Regierungschef Tayyip Erdogan noch vor ein paar Monaten auf Wahlkampfpostern für jedes Schulkind im Land angekündigt hatte, war nichts zu sehen.
Details klären
Es wird auch erst einmal bei der Ankündigung bleiben. Man arbeite derzeit noch an den technischen Fragen und dem Prozess für die Ausschreibung der Tablet-Hersteller, hieß es im Bildungsministerium in Ankara auf Anfrage des STANDARD. Erdogans Mammutprojekt, das die Türkei bei E-Learning weit vor die EU-Staaten katapultieren würde, ist auch von der Webseite seiner konservativ-islamischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) verschwunden. Ein schlechtes Omen: Das Logo der AKP ist eine energiefressende Glühbirne, nicht eben ein Symbol für Hightech und digitale Welt.
Doch mit den Tablets ist es der Regierung Ernst. Handelsminister Zafer Caglayan machte bei einer US-Tour im Vormonat Station bei Microsoft in Seattle. Der Softwarehersteller sei interessiert an einem Einstieg in das Projekt und werde Experten in die Türkei schicken, um die Anforderungen zu sehen. Dasselbe hörte Caglayan nach einem Treffen mit Apple-Managern.
Großer Auftrag
Der Auftrag ist groß: Umgerechnet 5,5 Milliarden Euro will die türkische Regierung für die Anschaffung der 15 Millionen Tablets ausgeben - gewünschter Stückpreis wären also 370 Euro, die Hälfte unter dem derzeitigen durchschnittlichen Verkaufspreis für einen Tablet.
Marktbeobachter sehen durch den Massenauftrag erhebliche Vorteile für die türkische Wirtschaft, zweifeln aber doch am Sinn. Verglichen mit einem Laptop oder einem E-Reader sei der Preis eines Tablets zu hoch, seine Funktionalität zu gering. Die Idee ist gleichwohl, dass türkische Verlage Schulbücher auf die Tablets spielen und die Schüler unter anderem Hausaufgaben in Form einer Computerpräsentation erledigen. 70 Prozent des Auftrags sollen dabei türkischen Unternehmern zugutekommen. Ankara will damit lokale Hardwarehersteller wie Casper, Exper und Vestel fördern sowie TürkTelekom.
Verspätet
Angelehnt an Bildungsprogramme in Südkorea und Japan hat sich die türkische Regierung vier Jahre für ihr sogenanntes Fatih-Programm Zeit gegeben, wollte aber schon in diesem Schuljahr mit der Verteilung der Tablets beginnen. Die haben bisher nur Privatschulen des islamischen Predigers Fethullah Gülen. (Markus Bernath aus Istanbul, DER STANDARD/Printausgabe, 20.9.2011)