Rom - In L'Aquila hat am Dienstag ein Prozess um das schwere Erdbeben vom April 2009 begonnen. Sieben Personen, darunter hochrangige Funktionäre des Zivilschutzes und angesehene Seismologen, müssen sich wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung verantworten. Die Angeklagten hätten die lange Serie kleiner Beben ohne Schäden ignoriert, die in der Region Wochen vor dem Erdbeben registriert worden waren, und die wachsende Sorge unter der Bevölkerung heruntergespielt, meinte ein Untersuchungsrichter
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von L'Aquila gegen die sieben Experten wurde nach einer Anzeige von 30 Bürgern eingeleitet. Fünf Tage vor dem großen Erdbeben hatte eine Kommission aus Funktionären des Zivilschutzes und Seismologen getagt und den Bürgern erklärt, dass keinerlei Erdbebengefahr bestehe.
Wahrheit soll ans Licht kommen
Zum Prozessauftakt erschien lediglich einer der sieben Angeklagten persönlich vor Gericht. Zu den Angeklagten zählen Schwergewichte, wie der Ex-Zivilschutzchef Franco Barberi und der Ex-Chef des nationalen Instituts für Geologie und Vulkanologie, Enzo Boschi. Die Familien der Erdbebentoten und weitere Nebenkläger fordern von den Angeklagten 50 Millionen Euro Schadenersatz. "Wir wollen, dass die Wahrheit ans Licht kommen", sagte der ermittelnden Staatsanwalt Alfredo Rossini, der die Untersuchung geführt hat.
Der Erdbeben-Experte Giampaolo Giuliani, Forscher des nationalen Physikinstituts Gran Sasso in der Region Abruzzen, hatte ein Gerät entwickelt, mit dem er Eigenangaben zufolge schwere Erdbeben vorhersehen konnte. Seine wiederholten Warnungen hatten für große Aufregung in der Bevölkerung gesorgt.
Giuliani war jedoch von der Staatsanwaltschaft der Stadt Sulmona wegen unbegründeten Alarmierens angezeigt worden. Das italienische Geophysik-Institut hatte seine Prognosen als vollkommen unrealistisch bewertet. Das Institut hatte bekräftigt, dass das Erdbeben in L'Aquila nicht vorhersehbar war. Bei dem Erdbeben wurden 308 Menschen getötet und mehr als 1.600 verletzt. (APA)