Wien - ORF-Stiftungsratsvorsitzende Brigitte Kulovits-Rupp erhebt in einem Mail an die Mitglieder des obersten ORF-Aufsichtsgremiums schwere Vorwürfe im Zusammenhang mit der Nebenbeschäftigungspraxis im ORF-Landesstudio Burgenland. Der STANDARD berichtete bereits am Wochenende darüber. Kulovits-Rupp hatte sich vergangene Woche im ORF-Stiftungsrat bei der Bestellung der neuen Landesdirektoren überraschend der Stimme enthalten. In einem Mail an ihre Stiftungsratskollegen erklärt Kulovits-Rupp dies nun damit, dass sie der Wiederbestellung des burgenländischen Landesdirektors Karlheinz Papst nicht zustimmen konnte, "was ich in der 'gelinden' Form der Stimmenthaltung ausgedrückt habe".
Als Grund führt die der SPÖ nahe stehende und in der Arbeiterkammer Burgenland tätige ORF-Stiftungsratsvorsitzende "die Praxis der Genehmigung von Nebenbeschäftigungen von leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Programmverantwortung im Landesstudio Burgenland und um die mögliche Auswirkung solcher Tätigkeiten auf Beiträge in Radio und Fernsehen" an. Dem Vernehmen nach verbirgt sich hinter dieser verklausulierten Formulierung der Umstand, dass leitende Programmmitarbeiter auf Veranstaltungen moderieren, über die dann in Radio und Fernsehen des ORF-Burgenland entsprechend berichtet wird.
Nebenbeschäftigungen, Krankenstand
Laut Kulovits-Rupp handle es sich um "ein Thema, das generell in all den Fällen Bedeutung erlangt, in denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Programmverantwortung einschlägigen Nebenbeschäftigungen nachgehen". Außerdem habe sie "auf Hinweise, die ein Fehlverhalten einer Mitarbeiterin im Krankenstand belegen würden, keine zufriedenstellende Antwort bekommen". Sie konnte dem burgenländischen Landesdirektor deshalb keine Zustimmung erteilen. Pikantes Detail am Rande: Kulovits-Rupp galt im Vorfeld der ORF-Wahlen selbst als mögliche Kandidatin für die burgenländische Landesdirektion, hatte letztlich aber das Nachsehen gegenüber dem amtierenden ORF-Landeschef Karlheinz Papst.
Die Vorsitzende des obersten ORF-Gremiums hat ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz in der Causa ersucht, "eine interne Überprüfung der an mich herangetragenen Vorkommnisse einzuleiten", wie es in dem Info-Mail an die Stiftungsratsmitglieder weiter heißt. "Weil die Überwachung der Geschäftsführung zu meinen Pflichten als Stiftungsrätin zählt, werde ich den Generaldirektor auch ersuchen, in der kommenden November-Sitzung des Stiftungsrates über das Ergebnis seiner Überprüfung und sich daraus ergebende Maßnahmen zu berichten", so Kulovits-Rupp.
"Regelungsbedarf"
Die Stiftungsratsvorsitzende sieht jedenfalls "Regelungsbedarf" gegeben - "zum Schutz der Reputation des Hauses und seiner Mitarbeiter, die gesetzlich zur Objektivität, zur Unabhängigkeit und den Zielen des Programmauftrags verpflichtet sind". Die "bisher angewandte Handhabung" hält Kulovits-Rupp "nicht für ausreichend, um die berechtigten Interessen des Hauses zu wahren".
Wrabetz: Thema soll aufs Tapet
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz will die harte Kritik von Kulovits-Rupp in der nächsten Sitzung des obersten ORF-Gremiums behandeln. Er werde die von der Stiftungsratsvorsitzenden gestellten Fragen dort "abschließend beantworten", teilte Wrabetz den Stiftungsratsmitgliedern am Dienstag per Mail mit. Darüber hinaus bedauert es der ORF-General in dem vorliegenden Schreiben "zutiefst, dass der Mailverkehr zwischen der Vorsitzenden und Mitgliedern des Stiftungsrates bereits bei Medienvertretern gelandet ist". Wrabetz hofft im Sinne des ORF und seiner Mitarbeiter, dass diese "halböffentliche" Diskussion nicht fortgesetzt werde.
Zentralbetriebsratsobmann Gerhard Moser kritisierte unterdessen Kulovits-Rupp ebenfalls in einem internen Mail wegen der "Härte", mit der die Stiftungsratsvorsitzende auf ORF-Mitarbeiter losschlage. "Sollte es begründete Vorwürfe in Sachen Nebenbeschäftigungen geben, dann ist das Thema des im Stiftungsrat beschlossenen journalistischen Verhaltenskodex und vom eingerichteten Ethikrat zu überprüfen", so Moser. Dass Kulovits-Rupp auch das "Fehlverhalten einer Mitarbeiterin im Krankenstand" moniere, geht dem ORF-Belegschaftsvertreter aber zu weit. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Aufgabe von Stiftungsräten ist, Krankenstände zu überprüfen oder zu hinterfragen. Das hat mit einer stiftungsrätlichen 'Überwachungspflicht der Geschäftsführung' wirklich nichts mehr zu tun."
"Verheerende Optik"
Kulovits-Rupps Mail-Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Wenn eine leitende Mitarbeiterin mit Programmverantwortung mehrmals die Woche privat als Moderatorin diverser Veranstaltungen - von Weinpräsentationen bis Firmenjubiläen - gebucht werde, und über so gut wie jede dieser Veranstaltungen Beiträge in Radio und Fernsehen laufen, sei das eine "verheerende Optik". Wer so agiere, setze sein Unternehmen dem "unguten Verdacht einer Verquickung von Programm-Machen und privater Geschäfte-Macherei aus". Den ORF würde der "unternehmensschädigende Verdacht, jemand könne sich durch das private Engagement einer Programmverantwortlichen in die Berichterstattung 'einkaufen', in seiner Existenz treffen". Der unsensible Umgang mit Nebenbeschäftigungen sei laut Kulovits-Rupp auch so weit gegangen, dass sogar im Krankenstand privat gebuchte Moderationen durchgeführt wurden. "Würde ein solches Fehlverhalten gerade im ORF sanktionslos bleiben, wäre das den Gebührenzahlern gegenüber nicht zu verantworten", so Kulovits-Rupp in Richtung Belegschaftsvertretung. (APA)