Nocebo: Wer's glaubt wird krank

Magnus Heier, S. Hirzel Verlag, 133 Seiten, 18,50 Euro

Magnus Heier ist Arzt und Journalist. Er praktiziert als niedergelassener Facharzt für Neurologie und schreibt als freier Wissenschaftsjournalist unter anderem für die FAZ, die WELT und die DIE ZEIT

Foto: S.Hirzel Verlag

„Sam Shoeman hätte nicht sterben müssen. Aber er war überzeugt davon, todkrank zu sein. Seine Ärzte gaben ihm nur wenige Monate und so schnell starb er dann auch. Allerdings nicht an seinem Tumor. Der war am Ende nicht bedrohlich. Shoeman starb an seiner Überzeugung, sterben zu müssen".

Mit diesem eindrucksvollen Beispiel steigt der Autor Magnus Heier in ein Thema ein, mit dem sich die Wissenschaft bis jetzt nur wenig beschäftigt hat. Nocebo, von Ärzten und Forschern weitgehend ignoriert, nennt sich der böse Zwilling des Placebos. Während jedoch die wirkstofffreien Scheinmedikamente beim Placeboeffekt eventuelle Heilung versprechen, bewirkt der Nocebo-Effekt genau das Gegenteil: Er macht krank.

Wirkungsvolle Suggestion

„Nocebo: Wer's glaubt wird krank" gewährt Einblicke in ein Phänomen, das sich die Suggestibilität des Menschen zunutze macht und in praktisch allen Bereichen wirkt. Egal ob Kinetose oder Laktoseintoleranz - Wer in Erwartung bestimmter Symptome ist, darf sich freuen. Übelkeit und Blähungen treten auch ohne pathogenetische Grundlage auf. Einbildung ist der Noceboeffekt aber nicht, auch wenn die neurowissenschaftliche Forschung hier noch in den Kinderschuhen steckt.
Der Autor zieht Beispiele aus der Praxis als Beweismittel heran, um das komplizierte Zusammenspiel zwischen Gehirn, Immunsystem und Herz-Kreislauf-System zu dokumentieren. Dem Leser sind viele beschriebene Situationen und Probleme vertraut. Er weiß von Nebenwirkungen, die nach dem aufmerksamen Studium von Beipackzetteln auftreten und von ausbleibenden Wirkungen, die der Umstieg auf Generika bringt. 

Dr. Google und den Mediendoktoren stellt Heier schlechte Zeugnisse aus und sein Blick in die Zukunft der Gentechnologie zeigt ein ganz neues Problem. „Wie lebt ein Mensch mit dem Wissen,  dass sein Darmkrebsrisiko deutlich erhöht ist? Wie geht jemand mit erhöhten Krankheitsrisiken um, gegen die er in keiner Form handeln kann, wie etwa dem Alzheimer?" 


Der Noceboeffekt könnte durch Gentests an Bedeutung gewinnen. Wer bereits unter Alzheimer leidet, dem ist das aber egal. Gegen Placebo und Nocebo sind demenzkranke Menschen nämlich immun. (derStandard.at, 09.2011)