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Studiengebühren in Europa.

Grafik: apa

Wien/Brüssel  -  Die Europäische Kommission fordert einen stärkeren Fokus auf die soziale Dimension in der Hochschulpolitik. Einem Bericht zur Modernisierung von Europas Universitäten zufolge ging mit den seit 2000 um 20 Prozent gestiegenen Studentenzahlen in den EU-Mitgliedsstaaten keinesfalls verstärkte soziale Inklusion an Hochschulen einher. Der Uni-Zugang müsse offener werden, "damit mehr Menschen in den Genuss einer Hochschulbildung kommen".

Laut Bericht hebt die Mehrheit der europäischen Länder Studienbeiträge ein, was nicht immer von einem umfangreichen Beihilfensystem aufgefangen wird. Studiengebühren können sozial benachteiligte Gesellschaftsgruppen mit geringem Einkommen zwar vom Studieren abhalten, Unterstützungsmechanismen jedoch als effizienter Ausgleich wirken, so die Kommission. Die Balance dazwischen sowie der effiziente Einsatz von Mitteln seien demnach wichtige Ansätze für Strategien im Hochschulsektor.

Gebühren und Beihilfen unterschiedlich

Im Studienjahr 2009/10 hob die Mehrheit der EU-Mitgliedsländer zuzüglich Island, Liechtenstein, Norwegen und Türkei Studiengebühren ein; auch fast alle Länder hatten ein Beihilfensystem. Beides ist sehr unterschiedlich geregelt; finanzielle Unterstützung kommt oft in Verbindung mit Steuervorteilen für Eltern, Krediten oder anderen Formen indirekter Hilfe für Studenten. Nicht nur die Existenz von Gebühren und Beihilfen, vor allem wie viele Studenten zahlen bzw. beziehen sieht die Kommission als wesentlichen Indikator. Und genau dabei gibt es große Unterschiede.

Die größte Gruppe besteht laut Analyse aus Staaten, in denen eine Mehrheit Studiengebühren bezahlt, jedoch nur eine Minderheit Beihilfen erhält. Dabei werden auch Staaten wie die Türkei oder Tschechien zu Gebühreneinhebern zählt, obwohl diese lediglich Einschreibungsgebühren verrechnen. Zumeist werden in dieser Gruppe Beihilfen auch gezielter eingesetzt: So zahlen Studenten in Spanien je nach Region und Kurs bis zu 1.320 Euro (Bachelorstudium) jährlich, jeder vierte ist jedoch aufgrund geringen Einkommens davon befreit. Anders die Situation in Italien, wo 2009/10 alle Vollzeit-Bachelor-Studenten 1.074 Euro zahlten, nur elf Prozent jedoch leistungs- oder einkommensabhängige Beihilfen erhielten.

Österreich ohne klare politische Linie

Quasi spiegelverkehrt ist das System, das neben einzelnen deutschen Bundesländern, Griechenland, Ungarn und Litauen auch in Österreich zu tragen kommt: Keine bzw. nur von wenigen zu zahlende Studiengebühren stehen Beihilfen für einen geringen Prozentsatz an Studenten (18 Prozent 2009/10 in Österreich) gegenüber. Die EU-Kommission sieht den Staat dabei "in einer passiven Rolle", der "Studenten weder Beihilfen gewährt, noch sie zur Kasse bittet". Unter den vier in Europa bestehenden Systemen sieht die Kommission in jenem, das u.a. in Österreich vorherrscht, den "geringsten Versuch, eine klare politische Linie zur sozialen Dimension zu definieren und umzusetzen".

Die Niederlande haben einen Sonderstatus: Hier zahlen zwar alle Studiengebühren von 1.670 Euro jährlich, mehr als 70 Prozent beziehen dabei Beihilfen; zusätzlich sind Kredite und Steuerentlastungen erhältlich. Ähnlich auch das britische System in England, Wales und Nordirland: Dort wurden 2009/10 maximal 3.000 Pfund (3.456 Euro) eingehoben (mittlerweile sind es bis zu 9.000 Pfund). Jene 60 Prozent, die als "finanziell unterstützt" angegeben werden, sind aber vorrangig Studenten, die Kredite vom Staat aufgenommen haben.

Nordisches Modell

Als populärste Wahl für Studenten werden Dänemark, Malta, Finnland, Schweden, Schottland, Liechtenstein und Norwegen gelistet, in denen keine oder nur von einer kleinen Gruppe zu zahlende Gebühren eingehoben werden, aber eine Mehrheit der Studenten Beihilfen erhält. Die Europäische Kommission ortet in dem "nordischen Modell" einen "starken sozialen Konsens, was die Wichtigkeit und Bedeutung von Hochschulbildung betrifft" und sich in signifikanter Unterstützung für Studenten äußert. (APA)