Der Ausblick für die Weltwirtschaft könnte geteilter nicht sein. In seinem aktuellen Ausblick für Wachstum hat der Internationale Währungsfonds die Wachstumszahlen der Industrienationen stark gestutzt, die Schwellenländer hingegen expandieren nahezu ungebremst. Das Inflations- und Zinsumfeld ist noch deutlicher getrennt. Die Leitzinsen in den Industrienationen sind - bis auf zwei Zinsschritte bei der Europäischen Zentralbanken - auf rekordtiefem Niveau.
Ganz anders die Situation in den Schwellenländern. Laut aktuellen Daten von Bank of America Merrill Lynch haben die Zentralbanken in Asien und Lateinamerika die Zinsen bereits um 1,5 Prozentpunkte seit 2010 angehoben, um die Inflation zu bekämpfen. Die Ökonomen des IWF rechnen im aktuellen Jahr trotz eines leichten Abschwungs mit Inflationsraten in Asien (5,3 Prozent) und Lateinamerika (7,9 Prozent), die weitere Straffung der Politik nach sich ziehen sollten, insbesondere in Südamerika. IWF-Chefin Christine Lagarde warnte jüngst vor einer Überhitzung der Schwellenländer, mit hohem Kreditwachstum, Inflationsdruck und steigenden Auslandsverschuldungen.
Doch die Zentralbanken in den Schwellenländer sind sich nicht einig in ihrer Geldpolitik. Die Türkei und Brasilien haben die Märkte mit Zinssenkungen überrascht, insbesondere um die steigenden Kapitalflüsse und den damit verbundenen Aufwertungsdruck für ihre Währungen zu unterbinden. Hingegen erhöhten die Geldpolitiker in Indien vergangene Woche angesichts hoher Inflation (9,8 Prozent bei Großhandelspreisen) zum zwölften Mal in Serie die Leitzinsen, auf 8,25 Prozent.
Inflationsdruck ist hoch
Dass der Inflationsdruck in den Schwellenländern so hoch ist, liegt nicht nur an dem stärkeren Wachstum von Aufschwungslokomotiven wie China oder Indien. Die hohen Rohstoffpreise, die laut Daten der FAO seit Jahresbeginn auf Rekordniveau verharren, fressen sich in Schwellenländern deutlich schneller in die gesamtwirtschaftliche Teuerungsrate, weil Konsumenten in China oder Brasilien zwei- bis dreimal mehr von ihrem Einkommens für Lebensmittel ausgeben als ein durchschnittlicher Haushalt in Europa.
Dabei könnte sich der Druck auf die Zentralbanken in Asien und Lateinamerika diese Woche erneut erhöhen. Denn am Dienstag und am Mittwoch tagt die US-Zentralbank Federal Reserve über die künftige Geldpolitik in der größten Volkswirtschaft der Welt. Wenn sie weitere monetäre Stimulierung ankündigt, könnten die Rohstoffpreise, wie nach der jüngsten Maßnahme "Quantitative Easing 2" deutlich steigen. Nach der Ankündigung der Maßnahme im Herbst 2010 sind die Rohstoffpreise gemessen am S&P Goldman Sachs Commodity Index um knapp 20 Prozent gestiegen, trotz eines deutlichen Rückgangs diesen Sommer.
Die Zentralbanken in den Schwellenländern stehen daher weiter vor einer unangenehmen Herausforderungen. Ihre eigenen Volkswirtschaften kämpfen noch mit der Inflation, während die Nachfrage aus den Industrienationen und damit die Exportdynamik bereits nachlässt. (Lukas Sustala, derStandard.at, 20.9.2011)