
Kühlturm in Temelín, wo neue Reaktoren geplant sind.
Linz/Prag - "Tschechien wird zur Bedrohung für Oberösterreich, Österreich und ganz Europa." Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (VP) kündigte nach Bekanntwerden der Ausbaupläne der Atomkraft in Tschechien massiven Widerstand an. Umweltlandesrat Rudi Anschober (Grüne) fordert deshalb Direktverhandlungen zwischen Österreich und Tschechien. Das Energiekonzept des Nachbarlandes solle voraussichtlich im Jänner beschlossen werden.
Und das, was kürzlich aus dem tschechischen Industrie- und Handelsministerium an die Öffentlichkeit gelangte, lässt an Klarheit nichts vermissen. Bis zum Jahr 2060 sollen bis zu 80 Prozent des Stroms in Kernkraftwerken produziert werden. Die Fotovoltaik soll ab dem Jahr 2030 als Energiequelle zur Gänze wegfallen. In Zahlen würde das bedeuten, dass Tschechien im Jahr 2060 bis zu 160 Terawattstunden Strom herstellen könnte, obwohl der Verbrauch nur die Hälfte davon ausmachen dürfte. Wegen des zu erwartenden Stromüberschusses beschwichtigt der tschechische Industrieminister Martin Kocourek: Diesen werde es nicht geben, da mit einer größeren Binnennachfrage aufgrund der verstärkten Verbreitung von Elektroautos zu rechnen sei.
Zwei weitere AKWs geplant
Neben der so gut wie sicheren Erweiterung Temelíns um zwei Reaktoren ist der Bau von noch zwei Kernkraftwerken geplant. Das erste im nordmährischen Blahutovice soll 2025 fertig sein, Tetov in Ostböhmen soll folgen. Man werde diese Ausbaupläne mit Sicherheit nicht hinnehmen, geben sich Anschober und Pühringer kämpferisch. "Anscheinend dürften die verantwortlichen Politiker in Tschechien nichts aus Fukushima gelernt haben. Das ist eine ignorante Politik", ärgert sich Pühringer.
Wie ernst es dem Nachbarland mit den Ausbauplänen ist, zeigt sich auch an der aktuellen Personalentscheidung. Nach knapp acht Jahren an der Spitze des Energiekonzerns CEZ, an dem der Staat 70 Prozent der Aktien hält, musste Martin Roman gehen. Regierungsmitglieder sollen mit ihm unzufrieden gewesen sei, weil er beim Ausbau des AKWs Temelín Verzögerungen angekündigt hatte. (Robert Schuster, Kerstin Scheller/DER STANDARD-Printausgabe, 21.9.2011)