Foto: Universität für angewandte Kunst Wien / Stift Klosterneuburg

Mikroskopische Aufnahmen (oben) halfen bei der Restaurierung der Korallen-Krippe (unten) im Stift Klosterneuburg.

Foto: Universität für angewandte Kunst Wien / Stift Klosterneuburg
Foto: Universität für angewandte Kunst Wien / Stift Klosterneuburg

"Praktisch nichts" wusste Wolfgang Huber, Kurator des Stiftsmuseums Klosterneuburg, über das Ziborium, einen Kelch mit Deckel für Hostien, aus der Schatzkammer des Stiftes, bevor er es anlässlich der Neuaufstellung zur Restaurierung an die Universität für angewandte Kunst Wien, die Angewandte, übergab.

Über die barocke Korallenkrippe wusste man immerhin ein bisschen etwas: Sie stammt aus den Werkstätten in Trapani (Sizilien) und wurde um einen Holzkern mit Roter Mittelmeerkoralle und Metallblüten gefertigt. "Wenn wir keine Stifterinschrift haben, wissen wir wenig über die Herkunft. Die Krippe ist jedenfalls ein typisches Schatzkammerstück und diente der Repräsentation", erläutert der Kurator, in dessen Museum viele Stücke immer wieder benutzt werden.

Die Krippe und das Ziborium waren zwar keine Sorgenkinder für Huber, aber wenn wissenschaftliche Grundlagenarbeit geleistet werden kann, "sagt man nicht Nein". Carole Breckler vom Institut für Konservierung und Restaurierung, geleitet von Gabriele Krist, fügte der dürftigen Fachliteratur über Koralle ein fundiertes Werk zu Reinigung und Klebung hinzu. Die Diplomandin führte dazu Versuchsreihen an chemisch identen Korallen durch, denn die Rote Mittelmeerkoralle steht inzwischen auf der Liste der gefährdeten Arten.

Überzüge gaben Rätsel auf

Die Stücke wurden je drei Wochen in verschiedene Lösungen eingelegt und anschließend unter dem Mikroskop auf Abbauprozesse im Kalk untersucht. Vergleichend wurde ein Stück Koralle lasergereinigt. 1978 war die Krippe schon einmal im Haus restauriert worden. Die Vorgänger von Eva Putzgruber, Universitätsassistentin im Fachbereich Objekt, beherrschten viele alte Handwerkstechniken und folgten der damaligen Restaurierethik "sich dem ursprünglichen Erscheinungsbild des Stücks anzunähern. Damals wurden viele Methoden und Materialien ausprobiert, wovon wir immer noch profitieren." Heute wird zunächst der Bestand bestmöglich erhalten und erst dann geht es um Ästhetik: "So viel wie nötig so wenig wie möglich."

33 Jahre später gab die Zusammensetzung der farbenfrohen Überzüge auf den Blüten Rätsel auf. Nach etlichen Tests brachte der hochauflösende Blick eines Rasterelektronenmikroskops Klarheit. Die gefundene Substanz ließ jedoch den Puls steigen. "Wenn wir Chlor finden, schrillen bei uns die Alarmglocken. Das Element kann hochreaktiv sein und das Objekt angreifen. Klar war damit aber: Die Lüstrierung (durchscheinende Farbüberzüge, Anm.) ist nicht historisch", beschreibt Lisa Gräber, Universitätsassistentin im Fachbereich Stein.

Carole Breckler wälzte also vor der Staubentfernung am Objekt noch staubige Akten. Ein altes Restaurierungsprotokoll brachte ihr Klarheit und Erleichterung: "Es wurde Rengerlack verwendet, der heute nicht mehr auf dem Markt ist. Die genaue Zusammensetzung ist für künftige Restaurierungen wichtig und natürlich für die fachgerechte Reinigung aller Teile der Krippe." Schlichtes demineralisiertes Wasser stellte sich als bestes Reinigungsmittel für diesen Materialmix heraus.

Eine harte Nuss

Carole Breckler hatte sich das Korallenobjekt als Diplom gewünscht. Ines Gollner bekam das Ziborium als Semesterarbeit zugeteilt, um die Recherchefähigkeiten zu schulen. Die Studierende im Bereich Objekt wünschte sich wohl manchmal, dieser Kelch wäre an ihr vorübergegangen.

Denn das Ziborium ist stilistisch ungewöhnlich: "Das wäre ein Fall für eine kunsthistorische Abhandlung. Es tut gotisch, ist es aber nicht. Auch nicht neugotisch. Wir vermuten frühes 17. Jahrhundert, da im Zuge der Gegenreformation oft gotisch gestaltet wurde. Der Renaissancestil galt als protestantisch", erklärt Wolfgang Huber. Das rötliche Ziborium wurde ihm stets als seltenes Stück aus Stein beschrieben. Aber auch ein Laie merkt: Das sakrale Objekt ist für Marmor zu leicht und fühlt sich zu warm an. Die Alltagssprache birgt zudem Unschärfen: "Mit Marmor werden alle Buntkalke zusammengefasst, die man polieren kann. Aber die Gesteine verhalten sich völlig unterschiedlich", weiß Steinspezialistin Lisa Gräber.

Mit diversen Tests wurde Marmor als Material ausgeschlossen, Kalkstein ebenso. Auch Speckstein war eine falsche Fährte. Die Röntgendiffraktometrie einer Probe ergab schließlich Gips. Als auch kein Leim nachgewiesen werden konnte, stand fest: Das Ziborium besteht aus Alabaster, natürlich vorkommendem Gipsspat. Woher dieser rötliche Alabaster stammt, bleibt unklar.

Tatsächlich ein Einzelstück

Nach der eindeutigen Bestimmung des Materials nahm Gollner die eigentliche Restaurierung vor. Ein Silikonnegativ vom ausgebrochenen Rand abnehmen, ein Gipspositiv gießen, retuschieren und mit Feilen und Skalpell das Ornamentband einritzen. Auch war das Kreuz auf dem Deckel abgebrochen. "Ich habe einen Sockel angefertigt, um die Struktur zu stabilisieren und die Klebstelle zu erweitern", erklärt die Studentin.

Die schlichte Scheibe ist für Fachleute als Ergänzung erkennbar, und das entspricht ebenfalls der aktuellen Restaurierungsethik. Das Ziborium erwies sich tatsächlich als Einzelstück. Durch den Katalog, die wissenschaftlichen Publikationen und die Führungen für Fachleute in der Schatzkammer könnten weitere Alabaster-Ziborien auftauchen. Das würden sich alle Beteiligten wünschen.