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Barack Obama eröffnete mit seiner Rede am Montag in Washington seinen Wahlkampf.
Washington/Wien - Nein, es war kein Auftritt wie jeder andere an diesem sonnigen Herbstmorgen in Washington. Der oft als zu weich und zu pragmatisch gescholtene Barack Obama schlug im lauschigen Rosengarten des Weißen Hauses kämpferische Töne an, als er seinen Sparplan inklusive Steuererhöhungen für Reiche ankündigte. Die politische Betriebstemperatur des US-Präsidenten signalisierte eindeutig: Es ist Wahlkampfzeit.
Mit dem 3000-Milliarden-Dollar-Paket bereitet Obama das Terrain für die Auseinandersetzung im Jahr 2012 auf, bestimmende Wahlkampfthemen sollen damit eindeutig Wirtschaft, Budget(-Defizit) und Steuern sein.
Die führenden Republikaner reagierten auf Vorstoß so einsilbig wie wortident: "Das ist Klassenkampf!" Die Washington Post begrüßte, dass sich der Präsident in diesem politischen Spiel nicht bereits "in Boxershorts zum Strip-Poker einfindet" und die New York Times stellte ihrerseits fest, dass Obama selbst sich damit vom "Obamaismus" lossage.
In der Tat hat die Kampagne, die sich für den Herbst und das kommende Jahr abzeichnet, nichts mehr mit jener aus dem Jahr 2008 zu tun. Damals wollte Obama überparteilich sein und einen Wandel in Washington im Konsens erreichen. Mit dem Gesetzesvorschlag aber, den er jetzt in den Kongress drückt, bedient er vor allem seine enttäuschte Wählerbasis: "Das ist pure politische Taktik, die auf Obamas demoralisierte Wählerschaft zielt. Das wurde zweifellos in Umfragen abgetestet und Obama hat damit ein populistisches Wahlkampfthema gefunden. Denn es ist offensichtlich, dass dieses Gesetz keine Chance darauf hat, im Kongress beschlossen zu werden" , analysiert Greg Valliere, Politikberater bei der Potomac Research Group in Washington.
Auch Budgetexperten zerpflücken die Sparankündigung des Präsidenten: Es sei richtig, das durch die langsam in die Pension gleitende Babyboomer-Generation in Schieflage geratende US-Pensions- und Gesundheitswesen zu stabilisieren. Aber Obamas Plan verlängere den für 2024 prognostizierten finanziellen Kollaps der Systeme bestenfalls um drei Jahre. Substanziell ändern würde der Vorschlag an der Malaise nichts. In der breiten Bevölkerung und auch in der veröffentlichen Meinung kommen die Schlagworte dennoch an.
Vorsichtige Republikaner
Die Republikaner müssen ihrerseits aufpassen, dass sie nicht wieder in jene fundamentale Obstruktion verfallen, die sie während der Auseinandersetzung um die Budgetdefizithöchstgrenze im Frühjahr gefahren haben. Für sie besteht eine realistische Chance, dass sie 2012 die Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses übernehmen könnten, und auch der in den Umfragen zuletzt notorisch schwache Präsident (er lag zuletzt bei nur noch 40 Prozent Zustimmung) wäre durch einen konzilianteren Kandidaten wie Mitt Romney schlagbar. Eine erneute Tea-Party-Freakshow in Sachen Obama-Sparpaket könnte beide Vorhaben vereiteln. (Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 21.9.2011)