Berlin - Die deutsche Regierung hat ungeachtet des Widerstands aus den Bundesländern das umstrittene Steuerabkommen mit der Schweiz gebilligt. Das verlautete am Mittwoch aus Regierungskreisen in Berlin. Das Abkommen regelt die nachträgliche Besteuerung von Milliarden-Schwarzgeldern deutscher Steuerbetrüger bei Schweizer Banken. Auch die künftige Ertragsbesteuerung wird festgelegt.
Die Unterzeichnung des Abkommens war für den späten Nachmittag in Berlin geplant. Finanzminister Wolfgang Schäuble erwartete dazu seine Schweizer Amtskollegin Eveline Widmer-Schlumpf. Die Oppositions-Parteien SPD und Grüne wollen das Steuerabkommen über den Bundesrat allerdings kippen. In der Länderkammer hat die christlich-liberale Regierung keine Mehrheit.
In Deutschland müssen der Bundestag wie der Bundesrat zustimmen. Die Opposition und Steuerexperten sprechen mit Blick auf die anonyme und einmalige Nachbesteuerung von Mrd.-Altvermögen von einem "Ablasshandel" und einer "Ohrfeige für alle ehrlichen Steuerzahler". Schäuble will trotz massiver Kritik nicht nachverhandeln. Er ist zuversichtlich, dass Bundestag und Bundesrat das Abkommen ratifizieren.
Weit über 100 Milliarden Euro flossen in die Schweiz
Belastbare Angaben über die Schwarzgeld-Guthaben gibt es nicht. Schätzungen zufolge sollen deutsche Anleger zwischen 130 Mrd. und 180 Mrd. Euro illegal in die Schweiz geschleust haben. Teils ist von bis zu 280 Mrd. Euro die Rede. Von den Einnahmen aus der Nach-Besteuerung erhält der Bund weniger als die Hälfte, den Rest Länder und Kommunen. Der deutsche Fiskus hatte bisher kaum Möglichkeiten, Steuerbetrüger zu belangen. Die Schweiz wiederum pocht auf das Bankgeheimnis.
Das Abkommen soll am 1. Jänner 2013 in Kraft treten. Es verpflichtet Schweizer Banken, auf Vermögen noch nicht entdeckter deutscher Bankkunden einmalig eine Pauschalsteuer zwischen 19 und 34 Prozent an den deutschen Fiskus zu überweisen. Steuerbetrüger hätten damit ihr beiseitegeschafftes Geld anonym legalisiert. Sie können mit Straffreiheit rechnen. Das Bankgeheimnis bleibt gewahrt. Schweizer Behörden müssen im Verdachtsfall aber Auskunft geben.
"Als Zeichen des guten Willens zur Umsetzung des Abkommens" verpflichten sich Schweizer Banken nach früheren Angaben, eine Vorauszahlung von zwei Mrd. Schweizer Franken (rund 1,7 Mrd. Euro) an Deutschland zu überweisen. Die Vorauszahlung wird mit den Einmalzahlungen aus der Nachversteuerung verrechnet.
Von 2013 an sollen Erträge deutscher Anleger in der Schweiz mindestens genau so hoch besteuert werden wie in Deutschland. Künftig soll auf in der Schweiz kassierte Zinsen und Dividenden eine Quellensteuer von gut 26,4 Prozent gezahlt werden. Damit ist eine flächendeckende Besteuerung in der Schweiz gesichert. Auch hier wird das Geld anonym überwiesen. Das Abkommen sieht zudem einfachere Amtshilfe vor. Der Marktzugang für Schweizer Banken wird verbessert.
Für Schäuble ein Riesenschritt
Der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Frank-Walter Steinmeier, kritisierte das Abkommen als Beihilfe zur Steuerhinterziehung. "Es kann nicht sein, dass die Steuerbetrüger anonym bleiben und dass wir uns vertraglich verpflichten, Hinweisen der Strafverfolgung nicht nachzugehen", sagte Steinmeier der Nachrichtenagentur dpa. Er forderte Schäuble zu Nachverhandlungen mit der Regierung in Bern auf.
Schäuble verteidigte in der "Berliner Zeitung" die Regelung. "Mit dem Abkommen können sich Steuerflüchtlinge nicht mehr hinter dem Bankgeheimnis verstecken." Dies sei ein Riesenschritt. Das gehe aber nicht rückwirkend, weil dies für die Schweiz nicht verhandelbar sei: "Das muss man dann auch mal akzeptieren."
Die USA hat mit der Schweiz noch ihre Probleme
Der Steuerstreit zwischen der Schweiz und den USA trifft nun auch die Zürcher Kantonalbank (ZKB). Die ZKB habe vor einigen Tagen von den Untersuchungen der US-Justiz gegen sie erfahren, erklärte ein Sprecher der ZKB. Wie der Sprecher am Mittwoch weiter sagte, hat die Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) die Zürcher Kantonalbank über das Verfahren informiert.
Die ZKB ist seit 2009 gemäß eigenen Aussagen nicht mehr in den USA tätig. Noch vor zwei Wochen hatte sich der neue Bankratspräsident Jörg Müller-Ganz in einem Presseinterview davon überzeugt gezeigt, dass die ZKB nicht Gegenstand einer Untersuchung der US-Justiz sei.
Neben der ZKB sind weitere Banken von Ermittlungen der US-Behörden betroffen, darunter die Credit Suisse. Die UBS hat ihren Rechtsstreit mit dem Departement of Justice im vergangenen Herbst vorerst beigelegt.
Wegen den US-Ermittlungen gegen Schweizer Banken debattiert der Ständerat - die kleine Kammer des Schweizer Parlaments - am heutigen Mittwoch unter anderem eine Ergänzung des Doppelbesteuerungsabkommens mit den USA, in dem es um die Interpretation der Amtshilfe bei Steuerhinterziehung geht. (red/APA)