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Klien: "Wer das Budget nicht hat, braucht gar nicht erst zu schauen."

Foto: EPA/KERIM OKTEN

Wien/Singapur - Im September 2010 hat er in Singapur sein Formel-1-Comeback gegeben. Ein Jahr später ist Christian Klien weiter denn je in seiner Motorsport-Karriere von der Königsklasse entfernt. "8.000 Kilometer", scherzte der 28-jährige Vorarlberger vor dem Grand Prix im asiatischen Stadtstaat. Klien sieht sich das Nachtrennen am Wochenende in seiner Wahl-Heimat in der Ostschweiz mit Zeitmonitor auf dem Computer im Fernsehen an.

An eine Rückkehr in die Formel 1 denkt er derzeit nicht. Dabei hat Klien in der vergangenen Saison bei seinem Kurz-Comeback mit drei Rennen für das Nachzüglerteam HRT keine schlechte Figur abgegeben. In zwei von drei Qualifyings war er schneller als sein an das Auto gewöhnter Teamkollege Bruno Senna. Dieser hat sich mittlerweile im vorderen Mittelfeld etabliert, kann im Renault jederzeit aus eigener Kraft in die WM-Punkte fahren.

Nur mit Sponsormillionen erreichbar

"Das ist schon eine gewisse Bestätigung", gestand Klien. "Ich war zwei Drittel der Zeit schneller als er." Kaufen kann er sich darum nichts mehr. Die Cockpits scheinen, abgesehen von den vier Topteams Red Bull, Ferrari, McLaren und Mercedes, auf Jahre hin nur mit Sponsormillionen erreichbar. Selbst Senna hatte seinen Renault-Sitz auf Kosten von Nick Heidfeld nur durch eine Mitgift erhalten.

"In die Formel 1 zurückzukehren, ist derzeit sehr, sehr schwierig", meinte Klien. "Wer das Budget nicht hat, braucht gar nicht erst zu schauen." Er habe daher diese Saison keine Schritte in diese Richtung unternommen, erklärte der 49-fache GP-Starter. "Die Situation wird sich nächstes Jahr nicht ändern", vermutete Klien, der derzeit Sportwagenrennen für Aston Martin bestreitet. Das ist auch 2012 eine Option, das Deutsche Tourenwagen Masters (DTM) für BMW eine Alternative. Klien: "Wir sind in Kontakt."

Am liebsten würde er in der Königsklasse seine Runden drehen. "Zur richtigen Zeit im richtigen Auto zu sitzen, ist das A und O", sagte der Österreicher. "Wenn man ein Auto hat, das funktioniert, kann man mithalten." Das habe Senna zuletzt bewiesen. "In den Top 10 spricht man anders über Personen", erinnerte Klien. Bis 2006 war er selbst noch für Red Bull gefahren - jenes Team, das mit Titelverteidiger Sebastian Vettel mittlerweile die WM dominiert.

WM-Titel in Reichweite

Schon in Singapur, dem 14. von 19 Saisonrennen, ist für Vettel der zweite WM-Titel in Reichweite. "Das Team macht einen super Job. Sie haben derzeit sicher das schnellste Auto", bestätigte Klien. Doch auch WM-Leader Vettel habe sich weiterentwickelt. "Als Weltmeister hat er ein unglaubliches Selbstvertrauen", erklärte der Vorarlberger. "Er ist im Winter extrem gewachsen. Die Fehler aus dem letzten Jahr hat man heuer nicht mehr gesehen. Er bringt konstant seine Leistung."

Verfolger Fernando Alonso könnte die WM-Party zumindest verschieben, gilt er doch als Singapur-Spezialist. "Red Bull wird nicht so überlegen sein", versprach Klien. "Alonso ist ein sehr starker Fahrer. Auf einem Stadtkurs kann er immer noch etwas aus dem Auto herausquetschen." Dazu sei der mechanische Grip in Singapur wesentlicher als der aerodynamische, bei dem den Bullen niemand das Wasser reichen kann.

Die Überlegenheit seines Ex-Teams muss auch keine langfristige sein, meinte Klien. "Was sie in dieser kurzen Zeit aufgebaut haben, ist beeindruckend", gestand der Hohenemser, zumal auch Ferrari, McLaren und Mercedes über ähnliche Ressourcen verfügten. "Red Bull setzt es derzeit am besten um, aber das kann sich ändern. Nach oben gibt es immer weniger Spielraum."

Vettel auf Schumis Spuren

Fünf Rennen vor Schluss waren in der Formel-1-Geschichte bisher erst zwei Piloten als Weltmeister festgestanden - Nigel Mansell 1992 im Williams und Rekordchampion Michael Schumacher 2002 im Ferrari. Vettels deutschem Landsmann war das Kunststück vor neun Jahren sogar bereits im elften von 17 Saisonläufen am 21. Juli in Magny-Cours gelungen, das ist absoluter Rekord.

Vettels Dominanz erinnert tatsächlich an Schumacher. Der insgesamt siebenfache Champion hatte den WM-Titel Anfang des Jahrtausends dreimal bereits vier oder mehr Rennen vor Schluss endgültig in der Tasche - 2001, 2002 und 2004. Drei Grand Prix vor Saisonende war das zuvor jeweils zweimal den Briten Jim Clark (1963, 1965) und Jackie Stewart (1969, 1971) gelungen. (APA)

Vorzeitige Titelentscheidungen:

1963 Jim Clark (GBR) Lotus - nach 7 von 10 Rennen (8. September 1963 im GP von Italien in Monza)

1965 Jim Clark (GBR) Lotus - nach 7 von 10 Rennen (1. August 1965 im GP von Deutschland auf dem Nürburgring)

1969 Jackie Stewart (GBR) Matra - nach 8 von 11 Rennen (7. September 1969 im GP von Italien in Monza)

1971 Jackie Stewart (GBR) Tyrrell - nach 8 von 11 Rennen (15. August 1971 im GP von Österreich in Spielberg)

1992 Nigel Mansell (GBR) Williams - nach 11 von 16 Rennen (16. August 1992 im GP von Ungarn in Budapest)

2001 Michael Schumacher (GER) Ferrari - nach 13 von 17 Rennen (19. August 2001 im GP von Ungarn in Budapest)

2002 Michael Schumacher (GER) Ferrari - nach 11 von 17 Rennen (21. Juli 2002 im GP von Frankreich in Magny-Cours)

2004 Michael Schumacher (GER) Ferrari - nach 14 von 18 Rennen (29. August 2004 im GP von Belgien in Spa-Francorchamps)

Dazu kommen seit 1950 elf Weltmeisterschaften, die zwei Rennen vor Schluss entschieden waren - u.a. 1977 für Niki Lauda (AUT/Ferrari) und 2005 für Fernando Alonso (ESP/Renault)