Wien - Die Arbeiterkammer will die Steuerprivilegien für österreichische Bauern abschaffen. Ein besonderer Dorn im Auge ist der Kammer die sogenannte Vollpauschalierung. Betriebe bis rund 114 Hektar (100.000 Euro Einheitswert) müssten laut AK im Regelfall keine Einkommensteuer zahlen. Auch die Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne durch Umwidmungen von landwirtschaftlichen Grundstücken in Bauland soll abgeschafft werden. Dem Staat würden 300 bis 400 Mio. Euro an Steuern entgehen, schätzt AK-Direktor Werner Muhm. Die Immobilien-Veräußerungsgewinne könne man nicht abschätzen, sagte Muhm bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in Wien.
Die Arbeiterkammer hat eine Studie in Auftrag gegeben, nachdem die Pauschalierung für die Bemessung der Einkommenssteuer für Bauern gesetz- und verfassungswidrig ist. Das Gutachten wurde vom Linzer Steuerrechts-Universitätsprofessor Georg Kofler und vom Wiener Steuerberater Gottfried Schellmann verfasst. Schellmann will auch, wenn es bis Jahresende keine Änderungen gibt, den Weg zum Verfassungsgerichtshof gehen. Kleine Bauern und Nebenerwerbsbauern sollen laut AK aber weiterhin von der Pauschalierung erfasst werden und von der Aufzeichnungspflicht ausgenommen sein. Es gehe nicht darum "Bauern zu attackieren, sondern zu starke Partikularinteressen nicht mehr hinzunehmen", sagte Schellmann. Bereits 90 Prozent der steuerlich erfassten land- und forstwirtschaftlichen Betriebe würden in Österreich die Pauschalierung beanspruchen.
Laut Studie zahlte ein Agrarbetrieb im Bundesdurchschnitt im Jahr 2007 nur rund 195 Euro an Einkommenssteuer. Ende Dezember 2010 wurde die Grenze für die Vollpauschalierung von 65.000 Euro auf 100.000 Euro Einheitswert hinaufgesetzt. Bei der Gewinnpauschalierung wird dann vom geschätzten Grundwert (Einheitswert), zuletzt 1988 festgestellt, des Betriebs ausgegangen. Der steuerliche Gewinn werde dann pauschal mit 39 Prozent des Einheitswertes berechnet, abzüglich von unter anderem Pachtzinsen und Sozialversicherungsbeiträgen, erläuterte Uni-Professor Kofler. Vor allem größere Betrieb würden von diesem System profitieren. Es gebe sowohl Kritik vom Rechnungshof, als auch aus der Wissenschaft, so Kofler. In Deutschland wurde die Einkommenssteuer-Pauschalierung vor rund 10 Jahren geändert und auf 20 Hektar Betriebsgröße begrenzt.
Brief an Fekter
Die Arbeiterkammer will jetzt mit den bäuerlichen Interessensvertretern und dem Finanzministerium verhandeln. Es werde heute ein Brief zu diesem Thema unter anderem an Finanzministerin Maria Fekter (VP) und den Rechnungshof geschickt. AK-Direktor Muhm wünscht sich eine Angleichung an das deutsche System, damit die Gewinnermittlung nach der Einnahmen- und Ausgabenrechnung für deutlich mehr Betriebe gilt. Kleinbetriebe sollen aber weiterhin von der Pauschalierung profitieren. Außerdem fordert die AK eine Abschaffung der Umsatzsteuerpauschalierung und eine Einkommenssteuerpflicht für Immobilien-Veräußerungsgewinne durch Agrarland-Umwidmung. "Von solchen Begünstigungen können Arbeitnehmer nur träumen", so Muhm.
Die heimischen Agrarvertreter verteidigen die Einkommensteuer-Pauschalierung für Bauern. Die Pauschalierung habe sich für die
Finanzverwaltung und für die Bauern bewährt, sind sich Landwirtschaftsminister
Nikolaus Berlakovich (VP), Bauernbund-Präsident Fritz Grillitsch und
Landwirtschaftskammer-Präsident Gerhard Wlodkowski einig. Die drei
Bauernvertreter orten eine Neiddebatte der Arbeiterkammer. Die derzeit gültige
Pauschalierungs-Verordnung ist bis Ende 2015 gültig.
Dass zur
Steuerbemessung der Einheitswert und nicht der Verkehrswert verwendet werde, sei
logisch, weil die Bäuerinnen und Bauern vom Ertrag und nicht von der Veräußerung
ihrer Grundstücke leben, erklärte Landwirtschaftsminister Berlakovich. Neid und Unsicherheit zu schüren, sei der falsche Ansatz. Wenn
"wesentliche Grundlagen der Landwirtschaft" abgeschafft werden, etwa die
Pauschalierung, würden kleine Betriebe als Erste aufgeben. Die Folge wäre eine
großdimensionierte Agrarindustrie, so Berlakovich.
"Die wesentliche
Ursache dafür, dass die Landwirte insgesamt nur relativ niedrige Anteile am
Einkommensteueraufkommen tragen, liegt darin, dass die Steuerfreigrenze pro
Person und Jahr unter Berücksichtigung des Gewinnfreibetrages innerhalb weniger
Jahre von 6.965 Euro im Jahr 2003 auf 12.643 Euro ab 2010 erhöht wurde, wovon
auch die Bauern wegen ihrer niedrigen Einkommen betroffen sind", so
Landwirtschaftskammer-Präsident Wlodkwoski. Diese Regelung gelte für alle
Bürger, weshalb auch 43 Prozent der Einkommensbezieher keine Lohn-
beziehungsweise Einkommensteuer zahlen würden.
Kritik auch von Bauernbund
Scharfe Kritik an der
Arbeiterkammer übte auch Bauernbund-Chef Grillitsch: "Während zwei Drittel aller
österreichischen Bauern im Nebenerwerb arbeiten und daher auch Beiträge an die
Arbeiterkammer einzahlen, füttert AK-Direktor Werner Muhm die
SPÖ-Kampfmaschinerie unermüdlich mit Wahlkampfmunition". Es werde in der
AK-Studie auch eingeräumt, dass die landwirtschaftlichen Einkommen über Jahre
hinweg niedrig waren und damit auch das Steueraufkommen unverändert bleibt, so
Grillitsch in einer Aussendung.
Verhandlungsbereitschaft signalisiert
aber Landwirtschaftskammer-Präsident Wlodkwoski: "Die Landwirtschaftskammer hat
sich immer für eine mögliche Weiterentwicklung des Einheitswertsystems
ausgesprochen und dem Finanzministerium bereits diesbezügliche Vorschläge
vorgelegt." Es könne aber nicht um "eine radikale Abschaffung, sondern nur um
eine zeitgemäße Adaptierung gehen". (APA)