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Schnappschuss von der CeBIT in Hannover - ein langfristiger Wertewandel hat die Gruppe der "Digitalen Individualisten" entstehen lassen.

Foto: AP/Ronny Hartmann/dapd

Wien - Um Konsumprodukte zielgerichtet zu platzieren, werden in der Marktforschung sogenannte Sinus-Milieus verwendet: Menschen, die sich in ihrer Lebensauffassung, in ihrem Lebensstil und in ihrer Wertorientierung ähneln, werden in zehn verschieden Gruppen zusammengefasst. Der langfristige Wertewandel hat nun zu einer Neumodellierung der Milieus geführt. So hat der anhaltende Internetboom etwa die Gruppe der "Digitalen Individualisten" entstehen lassen. Die aktuellen Sinus-Milieus, erhoben vom Marktforschungsinstitut Integral, wurden am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien präsentiert.

"Die vergangenen zehn Jahre waren von einem rasanten Wandel geprägt. Nach dem Höhenflug der 90er Jahre sind die Österreicher wieder am Boden der Realität angekommen", sagte Bertram Barth, Geschäftsführer von Integral. Als Gründe dafür nannte der Marktforscher die wachsende Verunsicherung durch schwer begreifbare Krisen, unsichere Beschäftigungsverhältnisse und eine Abwehrhaltung gegenüber der beschleunigten Modernisierung und Globalisierung.

Gruppen Gleichgesinnter

Erstmals erhoben wurden die Sinus-Milieus in Österreich im Jahr 2001. Es handelt sich hierbei um wissenschaftlich anerkannte Zielgruppenforschung. Die Milieus stellen den Menschen in seiner Alltagswirklichkeit dar. "Wir fassen die Menschen in Gruppen Gleichgesinnter zusammen", sagte Barth. Die Sinus-Milieus werden häufig verwendet, um Produkte zielgerichteter auf dem Markt zu platzieren. "Die Milieus ermöglichen es Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft, sich in Zielgruppen hineinzuversetzen und mit ihnen zu kommunizieren", erklärte Martin Mayr, stellvertretender Geschäftsführer von Integral.

Neue Gruppe

Beim Update der Milieus ist eine neue, und zugleich die altersmäßig jüngste Gruppe der "Digitalen Individualisten" entstanden. Ihr gehören sechs Prozent der Österreicher an, das Durchschnittsalter beträgt 26 Jahre. Diese Personen sind individualistisch, weltweit mobil und vernetzt und ständig auf der Suche nach neuen Erfahrungen. Ebenfalls fest in der digitalen Welt verankert ist die leistungsorientierte Elite der "Performer". Sie sind mit neun Prozent vertreten und im Schnitt 37 Jahre alt. Effizienz und Erfolg haben für diese Gruppe höchste Priorität. Internetaffin zeigt sich auch das Milieu der "Adaptiv-Pragmatischen". "Sie stehen für eine Neuausrichtung traditioneller Werte und eine Lebensentwicklung auf solidem Fundament", sagte Mayr.

Der "Bürgerlichen Mitte" gehören 15 Prozent der Bevölkerung an. Bei dieser Gruppe handelt es sich um den leistungs- und anpassungsbereiten Mainstream. "Alle Bereiche des Lebens dieser Gruppe können mit dem Wort mittig beschrieben werden", so Mayr. Diese Menschen sind im Schnitt 49 Jahre alt, meist handelt es sich um Familien mit Kindern. Bildung und Einkommen liegen im mittleren Bereich. Zur materialistisch geprägten, resignierten Unterschicht gehört die "Konsumorientierte Basis". Ihr Leben ist von Zukunftsängsten geprägt, Freizeitaktivitäten sind durch die finanzielle Situation eingeschränkt.

Traditionelle Gruppen

Die eher traditionellen Gruppierungen - Konservative, Traditionelle und Ländliche - sind in ihrer Gesamtheit weniger geworden. Zwar hat das "Konservative Milieu" mit einem Altersdurchschnitt von 55 Jahren seinen Anteil von sechs Prozent gehalten und das "Traditionelle Milieu" ist von 13 auf 15 Prozent gewachsen. Jedoch ist das "Ländliche Milieu", das 2001 noch mit sieben Prozent vertreten war, heute kaum mehr anzutreffen. Christliche Wertvorstellungen und Skepsis gegenüber neuen gesellschaftlichen Entwicklungen prägen das "Konservative Milieu". Die "Traditionellen" bilden mit einem Durchschnittsalter von 66 Jahren die älteste Gruppe. Sie umfasst die Kriegs- und Nachkriegsgeneration und ist im Kleinbürgertum oder in der Arbeiterkultur verankert.

Hedonismus und Postmaterialismus

Das Sinus-Milieu der "Hedonisten" umfasst aktuell elf Prozent der Bevölkerung. Hierbei handelt es sich um die moderne untere Mittelschicht mit einem Durchschnittsalter von 36 Jahren. Geprägt ist diese Gruppe von der Ablehnung des Leistungsgedankens und der Abkehr von traditionellen Konventionen. "Die Suche nach Spaß und Unterhaltung steht bei diesen Personen im Vordergrund", so Mayr.

Ebenfalls mit neun Prozent vertreten ist das "Postmaterielle Milieu". Zu dieser gebildeten, kulturinteressierten und weltoffenen Gruppierung mit einem Hang zur Gesellschaftskritik gehören Österreicher mit einem Durchschnittsalter von 43 Jahren an. Gleich groß ist auch die Gruppe der "Etablierten". Sie sind im Schnitt 44 Jahre alt, haben eine hohe Statusorientierung und streben nach Harmonie und Balance.

Hintergrund

Im Vorfeld der Aktualisierung der Sinus-Milieus wurden seit Mitte 2009 insgesamt rund 250 qualitative und rund 30.000 quantitative Interviews durchgeführt. Zur Überprüfung der daraus gewonnen Hypothesen wurden 2011 insgesamt 2.000 Personen in persönlichen Interviews befragt. Die Milieus sind repräsentativ für die österreichische Bevölkerung ab 14 Jahren. (APA/red)