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Demonstranten protestierten bereits vergangenen November in Istanbul gegen den Aufbau der Radaranlage der Nato in der südöstlichen Kleinstadt Kürecik.
Ihre Radaranlagen werden sie nicht mehr los, die Bewohner der Kleinstadt Kürecik. Anfang der 90er-Jahre, als der Kalte Krieg vorbei war, bauten die Amerikaner ihre Anlage ab. Von der neuen haben die Leute aus Kürecik nur aus dem Fernsehen erfahren. Jetzt soll es gegen den Iran gehen. "Wir wollen nicht, dass dieses System hier aufgebaut wird", beschwerte sich Kemal Köroglu, ein Stadtteilvorsteher. Schon mit dem früheren Radar habe es in den umliegenden Dörfern Krebsfälle gegeben.
Kürecik liegt im östlichen Taurusgebirge, 160 Kilometer entfernt von der syrischen Grenze, 560 Kilometer von der iranischen. Hier wird die Nato bis Ende des Jahres den vordersten Radar für ihr Raketenabwehrsystem installieren. 50 US-Soldaten kommen hierher, die Kommandozentrale wird in Deutschland sein.
Iran nicht nennen
Noch im November vergangenen Jahres, beim Nato-Gipfel, verlangte die Türkei Mitsprache bei der Raketenabwehr und setzte durch, dass der Iran nicht im Zusammenhang mit dem Beschluss zum Aufbau des Schildes fiel. Jetzt ist allerdings die Stoßrichtung offensichtlich. Außenminister Ahmet Davutoglu, der Wert auf freundschaftliche Beziehungen zum Iran legte und die Türkei als Vermittler im Streit um Teherans Atomprogramm empfahl, erklärt: "Der Raketenschirm wird die internationale Sicherheit stärken."
Dass die diplomatische Krise mit Israel wegen der Gaza-Hilfsflotte nun just zu dem Zeitpunkt ausbrach, als Ankara eine Absichtserklärung über die Aufstellung der Radaranlage unterzeichnete, erstickte erst einmal eine Debatte im Land und Vorwürfe, die türkische Regierung habe sich den Interessen der Amerikaner und Israelis gebeugt. Denn vermutlich könnte der Radar auch aus dem Iran anfliegende Raketen Richtung Israel erfassen.
Keine Information an Israel
Beim Nato-Gipfel hatte sich Ankara ausbedungen, dass keine Informationen an die israelische Armee weitergegeben würden. Doch hier gibt es offensichtlich noch Gesprächsbedarf. US-Geheimdienstkoordinator James Clapper kam dieser Tage nach Ankara. Und erst nach der Rückkehr von Regierungschef Tayyip Erdogan aus den USA, wo er vor der UN-Vollversammlung gegen Israel wettern wird, will man über die Radaranlage entscheiden.
Mit dem Radar allein ist es allerdings nicht getan. Abgefangen würden Raketen aus dem Iran durch Raketen auf US-Schiffen im Mittelmeer und in Rumänien. Sofern das System funktioniert - was bisher nicht der Fall ist -, fallen die Trümmer der Raketen zu Boden. Türkische Journalisten haben versucht herauszufinden, welches Gebiet betroffen wäre und kamen auf die zentraltürkische Provinz Yozgat, zweieinhalb Fahrstunden entfernt von Ankara. (Markus Bernath aus Istanbul, DER STANDARD, Printausgabe, 22.9.2011)