Kabul / Neu-Delhi - Der Mann gab sich als Taliban-Führer Esmatullah aus und bestand darauf, mit Burhanuddin Rabbani zu sprechen, es gehe um Friedensgespräche. Aus Respekt verzichtete Rabbani darauf, den Gast durchsuchen zu lassen - sein Todesurteil. Bei der Begrüßung zündete der Besucher die Bombe, die er unter seinem Turban versteckt hatte.

Das Attentat gegen Afghanistans obersten Friedensunterhändler könnte nichts weniger als ein Vorbote eines neuen Bürgerkrieges am Hindukusch sein.

Wer immer hinter dem Mord steht, hatte ein klares Ziel vor Augen: das Land zu spalten, neuen Hass zwischen Tadschiken und Paschtunen zu säen und die Chancen auf Frieden zu torpedieren.

Als Vorsitzender des von Präsident Hamid Karsai einberufenen Hohen Friedensrates sollte Rabbani die Gespräche mit den Militanten vorantreiben. Obwohl selbst keine Lichtgestalt, galt er als einer der wenigen, denen man zutraute, eine Brücke zwischen Taliban und der Nordallianz zu schlagen.

Stehen wirklich die Taliban hinter dem Anschlag, was sie via Internet dementierten, dann war es eine brutale Absage an alle Friedensbemühungen. Doch an dieser Version bleiben Zweifel - auch die Taliban sind kein monolithischer Block. Vertraute von Rabbani haben das Hakkani-Netzwerk in Verdacht, das Pakistans Geheimdienst ISI nahestehen soll. Noch rätselhafter wurde die Tat dadurch, dass bei dem Attentäter ein - angeblich gefälschter - Brief der Quetta Shura, also der Taliban-Führung, gefunden wurde.

Zeitpunkt kein Zufall

Und es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass Rabbani ausgerechnet jetzt ermordet wurde: Erstmals gab es ernsthafte Chancen auf Friedensgespräche. "Wer immer dies getan hat, wollte diese Gespräche sabotieren", sagte ein westlicher Diplomat. Indes betonen Karsai und der Hohe Friedensrat, am Aussöhnungskurs festhalten zu wollen.

Der perfide Mord an Rabbani hat Wut geschürt, und vor allem die Nordallianz dürfte ihren Widerstand gegen Friedensgespräche verstärken. Nur Stunden nach dem Mord sprachen sich ihre Führer reihenweise gegen einen Friedensprozess aus.

Rabbanis Tod steht in einer Serie spektakulärer Morde: Zu den Opfern zählen etwa Hamid Karsais Halbbruder Ahmed Wali oder Polizeichef Dawood Dawood. Und vergangene Woche nahmen Militante die US-Botschaft und das Nato-Hauptquartier unter Feuer.

Es geht immer weniger um den Kampf gegen ausländische Truppen, sondern bereits um das zukünftige Machtgefüge im Land. Und dabei wollen nicht nur die Taliban, sondern auch Nachbarländer wie Pakistan, der Iran und sogar Indien mitmischen. (Christine Möllhoff, DER STANDARD, Printausgabe, 22.9.2011)