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"Wir sind Papst", lautete die Schlagzeile der "Bild"-Zeitung, als der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger 2005 zum Papst gewählt wurde. Anlässlich des Papst- Besuches in Deutschland schmückt der Springer-Verlag die Fassade seines Gebäudes auf 2880 Quadratmetern mit der Titelseite von damals.
Auf den papsttreuen Springer-Verlag ist auch in schwierigen Zeiten Verlass. "Wir sind Papst!", diese zum geflügelten Wort gewordene Bild -Schlagzeile vom Tag nach der Papst-Wahl 2005, ziert zur Zeit als 2880 Quadratmeter großes Plakat das Verlagsgebäude in Berlin. Schon vom Flugzeug aus wird es der Heilige Vater sehen können.
Doch nach der Landung wird der Papst merken, dass die Willkommensgrüße nicht überall so überschwänglich sind. Sicheres Terrain bietet zunächst noch Schloss Bellevue. Dort begrüßt Bundespräsident Christian Wulff (ein Katholik und geschiedener Wiederverheirateter) Benedikt XVI. mit militärischen Ehren.
Danach trifft das Oberhaupt der Katholiken Bundeskanzlerin Angela Merkel (ebenfalls eine geschiedene Wiederverheiratete, aber evangelisch). Dieser Begegnung wird mit Spannung entgegengesehen. Schließlich hat Merkel den Papst nach der Begnadigung des Traditionalistenbischofs und Holocaust-Leugners Richard Williamson im Jahr 2009 ungewöhnlich scharf kritisiert und damit im Vatikan große Verstimmung ausgelöst.
Leere Stühle im Plenum
Der Härtetest erwartet Benedikt dann am Nachmittag im Bundestag. Als erster Papst überhaupt wird er dort eine Rede halten. Dazu eingeladen haben ihn zwar ursprünglich alle Fraktionen, doch mittlerweile gibt es bei SPD, Grünen und Linken starke Absetzbewegungen. Rund einhundert Abgeordnete (von insgesamt 620) wollen demonstrativ fernbleiben.
Ein Teil der Kritiker protestiert damit gegen die Sexuallehre der katholischen Kirche, andere halten die Rede nicht mit der Neutralität des Staates gegenüber Religionen vereinbar. Damit es im Hohen Haus nicht ganz so peinlich wird, versucht vor allem die CDU/CSU-Fraktion die leeren Stühle mit ehemaligen Abgeordneten zu besetzen. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) tadelt den Boykott als "Mischung aus Hochmut und Kleingeist, aus Provinzialität und Überheblichkeit".
Einige der Abgeordneten setzen noch einen drauf und wollen am Protestzug gegen den Papst-Besuch teilnehmen, den ein Aktionsbündnis aus 67 Organisationen zeitgleich initiiert. Die Veranstalter, die sich gegen die "menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik" wenden, erwarten 20.000 Teilnehmer und ersuchen diese, in buntem Aufzug zu erscheinen. "Es wird eine Mischung aus klassischer Demonstration und Christopher Street Day", sagt Organisator Robert Kastl.
Nach einem Treffen mit Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (bekennender Homosexueller) feiert der Papst am Abend mit 70.000 Menschen eine Messe im Olympiastadion. Weitere Stationen bis Sonntag sind Erfurt und Freiburg. Der Papst trifft dabei auch Vertreter des Islam, der jüdischen Gemeinde und Protestanten. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, Printausgabe, 22.9.2011)