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Wegen der Angst der Anleger bekommt Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble unerwarteten Spielraum im Budget.
Deutsche Anleger, die Staatsanleihen kaufen, sind mittlerweile schon froh, wenn ihr Geld nur ein bisschen an Wert verliert. Die deutsche Regierung erspart sich durch Zinsen auf Niedrigstlevel Milliarden.
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Berlin - So billig wie Wolfgang Schäuble ist noch kein Bundesfinanzminister an Geld gekommen: Bei der Auktion einer zehnjährigen Bundesanleihe fiel der Zins am Mittwoch erstmals unter die Marke von zwei Prozent. Mitten in der Schuldenkrise profitiert Deutschland von seinem Status als sicherer Hafen für Anleger und kann Milliarden an Zinskosten sparen. Experten raten Schäuble dazu, das Geld in die Schuldentilgung zu stecken anstatt damit neue Ausgaben oder Steuersenkungen zu finanzieren.
Die Durchschnittsrendite bei der Aufstockung der zehnjährigen Bundesanleihe fiel auf 1,8 Prozent, teilte die mit dem Schuldenmanagement beauftragte Finanzagentur mit. Bei der vorherigen Auktion Ende August waren es noch 2,15 Prozent. "In diesem Umfeld schauen die Investoren nicht wirklich auf die Rendite", sagte ING-Anlagestratege Alessandro Giansanti. "Sie wollen einfach nur einen sicheren Platz für ihr Geld." Der Bund sammelte 4,2 Milliarden Euro ein. Die Nachfrage der Investoren übertraf das Angebot um das Anderthalbfache. Zum Vergleich: Der Marktzins für zehnjährige Anleihen des hoch verschuldeten Italien liegt derzeit mit 5,7 Prozent mehr als dreimal so hoch, für das von einer Staatspleite bedrohte Griechenland beträgt er sogar 23,5 Prozent. Österreich kann sich aktuell um 2,6 Prozent refinanzieren - muss also immerhin 0,8 Prozent mehr hinlegen als die deutschen Kollegen.
60 Milliarden Ersparnis
Deutschland bekommt damit eine Stabilitätsdividende: Wegen der Schuldenkrise in Europa und dem Kursrutsch an den Aktienmärkten lassen sich Investoren auf der Suche nach sicheren Anlagen mit Niedrigzinsen abspeisen. "Sicherheit ist weiterhin sehr gefragt", sagte WestLB-Anlagestratege Michael Leister. Die Anleger nehmen sogar einen negativen Realzins in Kauf: Die Inflationsrate liegt derzeit mit 2,4 Prozent deutlich über der Rendite, so dass die Investoren sogar Geld verlieren. Da die Inflation in Österreich höher ist - zuletzt lag sie bei 3,4 Prozent - haben heimische Käufer österreichischer Anleihen das gleiche Problem.
Bleiben die Zinsen auf dem aktuell niedrigen Niveau, wird der deutsche Staatsetat erheblich entlastet. Nach Berechnungen von UniCredit würden bis Ende 2015 mehr als 60 Milliarden Euro an Zinsen gespart. "Das Geld sollte direkt in den Defizitabbau gehen", sagte der Experte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Jens Boysen-Hogrefe. Deutschland hat in den vergangenen 40 Jahren einen Schuldenberg von 1,3 Billionen Euro angehäuft. Dafür werden allein in diesem Jahr etwa 40 Milliarden Euro an Zinsen fällig. Das ist nach den Ausgaben für Arbeit und Soziales der zweitgrößte Posten im 306 Milliarden Euro großen Bundes-Etat. (Reuters, go, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.9.2011)