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Um 1,5 Meter hohe Kruzifixe ist in einem Tiroler Dorf ein Streit entbrannt.

Foto: EPA/Silvi

In dem 2000-Seelen-Dorf Nassereith im Tiroler Oberland hat der örtliche, neu angetretene Volksschuldirektor in den Klassenzimmern die alten Kruzifixe entfernen lassen, laut einem Bericht der Kronen Zeitung macht sich Unmut beim Bürgermeister und der Ortsbevölkerung breit. Was in der Diskussion untergeht: Anstelle der sechs alten Kruzifixe wurden acht neue, moderne Holzkreuze angebracht - und am Gang hängt nach wie vor ein gut drei Meter großes Kruzifix. "Ich wollte damit ein Zeichen setzen, das wir eine offene Schule sind", sagt Direktor Thomas Köhle. Im Interview mit derStandard.at erklärt Köhle seine Beweggründe und die Hintergründe der Causa.

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derStandard.at: Sie haben in ihrer Volksschule alte, große Kruzifixe gegen moderne, kleinere Holzkreuze ausgetauscht - was zur Aufregung mancher geführt hat. Warum haben Sie das gemacht?

Köhle: Mich haben die riesigen Kruzifixe an meine eigene Schulzeit hier in dieser Schule erinnert. Das war in den 70er-Jahren, einer Zeit, in der ein Schuldirektor und ein Pfarrer über die Leute im Dorf uneingeschränkt bestimmen konnten. Ich wollte mit dem Austausch ein Zeichen setzen, dass wir nun eine offene und kindgemäße Schule sind. Ich bin nicht gegen religiöse Symbole in der Klasse und in der Schule.

derStandard.at: Wie sehen die SchülerInnen und LehrerInnen das?

Köhle: Eigentlich steckt dahinter ein pädagogisch durchdachtes Konzept, das ich gemeinsam mit der Religionslehrerin gestartet habe. Wir haben uns überlegt, wie wir die Kinder als Klassengemeinschaft einbinden können. Die Holzkreuze, die angefertigt wurden, haben viele kleine Nägel und jedes Kind hängt sein Namensemblem ans Kreuz. So haben alle Kinder einen Bezug zum Kreuz an ihrer Klassenwand .

derStandard.at: Der Bürgermeister ihrer Gemeinde will ja nun den Gemeinderat mit der Causa bemühen. Haben Sie mit so einem Sturm der Entrüstung gerechnet?

Köhle: Nein, in keinster Weise. Ich habe jetzt im Herbst hier als Schulleiter neu gestartet und sehe meine Hauptaufgabe natürlich in der Arbeit mit den Kindern. Doch zur Zeit bin ich nur mit dieser Causa beschäftigt, die eigentlich keine aufsehenerregendes Thema sein sollte. "Gottseidank" erfahre ich mittlerweile so viel Unterstützung - im Dorf wie im ganzen Land. Das bestärkt mich, weil es offensichtlich ist, dass es nur eine verschwindende Minderheit in unserem Dorf ist, die lautstark Stimmung macht. Der Großteil der Leute steht hinter mir und sieht, dass ein Austausch von Kreuzen im Jahr 2011 auch in Nassereith nichts Verwerfliches ist. Ich habe ja keine Kreuze entfernt!

derStandard.at: Der Bürgermeister will, dass die alten Kruzifixe in der Schule hängen. Wie sehen Sie das?

Köhle: Nein, sicher nicht. Das wäre nicht meine Schule. Wir haben sechs 1,5 Meter hohe Kruzifixe in relativ kleinen Klassenräumen angebracht gehabt. Noch dazu befindet sich am Gang zusätzlich ein weiteres überdimensionales Kruzifix mit drei Metern Höhe. Ich glaube nicht, dass sich sonst noch wo eine Schule findet, die eine derartige Omnipräsenz von Kruzifixen aufweisen kann. Mir geht es um eine gute Entwicklung der Kinder. Da muss es auch ohne großes Geschrei möglich sein, dass man so etwas macht. Das ist ja nichts Verwerfliches. Eine gewisse Klientel sieht da plötzlich einen Angriff auf das Christentum, da wird plötzlich der Islam, die Ausländer und Weiß-Gott-noch-was ins Spiel gebracht. Aus einer bestimmten Ecke wird bewusst polemisiert und Stimmung gemacht.

derStandard.at: Haben sich auch Bürger direkt bei Ihnen gemeldet?

Köhle: Das ist das Ungute dabei. Es wurde wissentlich die Unwahrheit verbreitet und kolportiert, dass der Direktor einfach die Kruzifixe rausgeworfen habe. Niemand hat gesagt, dass bloß Kreuze ausgetauscht worden sind. Noch dazu haben wir jetzt statt sechs Kruzifixen sogar acht neue Kreuze, weil zwei Klassen dazugekommen sind.

derStandard.at: Warum war das ein bewusstes Missverstehen?

Köhle: Wie in jedem Dorf gibt es halt auch bei uns eine Handvoll Leute, die in jeder Veränderung eine Bedrohung sehen. Schlimm ist, wenn sie anonym Wirbel machen und ihnen zuviel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Es hat auch niemand versucht, sich bei mir in der Schule ein Bild zu machen. Anscheinend trauen sich die, die im Hintergrund agitieren, nicht auf eine persönliche Konfrontation.

derStandard.at: Für Sie ist der Fall erledigt?

Köhle: Ja, es ist alles gesagt, es sind kindgemäße Kreuze in den Klassen. Jeder der daran etwas Schlimmes sieht, der führt eigentlich nichts Gutes im Schilde.

derStandard.at: Sind Kreuze in Schulen prinzipiell zeitgemäß?

Köhle: Ich möchte nicht zur Sinnhaftigkeit religiöser Symbole Stellung nehmen. Wir haben das Konkordat. Wenn sich mehr als die Hälfte der Schule zum christlichen Glauben bekennen, dann ist ein Holzkreuz anzubringen. Dem haben wir mehr als Genüge getan. Wir haben pädagogisch gehandelt, unsere neuen Kreuze finden Gefallen bei Kindern und Eltern - mittlerweile haben wir sogar Anfragen aus Deutschland, wo es unsere Kreuze zu beziehen gibt.
(Sebastian Pumberger, derStandard.at, 23.9.2011)