Bregenz - Die wissenschaftliche Interpretation und Einordnung archäologischer Funde hat nun zu neuen Erkenntnissen für die römische Geschichte der Vorarlberger Landeshauptstadt Bregenz geführt. Die drei Forscherinnen Christine Ertel, Verena Hasenbach und Sabine Deschler-Erb haben alte Grabungen neu ausgewertet und sind zu "mehr als überraschenden Ergebnissen" gekommen. Das sagte der Leiter des Vorarlberger Landesarchivs, Alois Niederstätter,diese Woche  beim Auftakt der sechsteiligen Vortragsreihe "Forscherfrüchte". So entpuppte sich etwa eine römische Villa als Magazin für Lebensmittel.

Stellvertretend für das Forscherinnen-Trio präsentierte Verena Hasenbach im Landesarchiv die Ergebnisse der Arbeit, die auch als Neuerscheinung des Universitätsverlages Konstanz in der Reihe Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs vorliegen: "Kaiserkultbezirk und Hafenkastell in Brigantium - Ein Gebäudekomplex der frühen und mittleren Kaiserzeit". Der Forschungsband dokumentiert anhand zahlreicher Bildtafeln, Zeichnungen und Fotos die archäologischen Ergebnisse der ab 1980 durchgeführten Notgrabungen in Bregenz für den Autobahnzubringer Citytunnel und auf benachbarten Grundstücken. Dort wurde der bisher größte römische Baukomplex der römischen Zivilsiedlung Brigantium freigelegt, ein frühkaiserzeitlicher Kaiserkultbezirk.

Wohlhabende Genießer der feinen römischen Küche

Unter der konservierten "Villa" auf dem Steinbühel wurde ein vermutlich auf die römische Okkupationszeit zurückgehendes Hafenkastell mit einem Offiziershaus lokalisiert. Die Abfälle seiner Benutzer gelangten in einen Brunnen, aus dem Schacht wurden zahlreiche Keramikfragmente, Gläser, Lampen, Bronze- und Eisengegenstände geborgen. Die zahlreichen Tierknochen, aber auch Austernschalen lassen auf wohlhabende Genießer der feinen römischen Küche schließen.

Die als "Villa" apostrophierten Gebäudereste waren jedoch höchstwahrscheinlich kein römisches Wohngebäude, sondern ein Magazin für importiertes Öl und andere Waren. Für Helmut Swozilek, den ehemaligen Direktor des Vorarlberger Landesmuseums, bedeutet die interdisziplinäre Neuinterpretation alter Daten und Fakten eine "wesentliche Zutat zum bisher Bekannten über Brigantium".

Mit beigetragen zur Neuinterpretation hat die interdisziplinäre Zusammenarbeit der drei Forscherinnen: Christine Ertel ist Architektin und freiberufliche Mitarbeiterin des Deutschen Archäologischen Instituts Rom. Verena Hasenbach ist freiberufliche Archäologin und Mitarbeiterin des Liechtensteinischen Landesmuseums. Sabine Deschler-Erb ist Archäozoologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin sowie Lehrbeauftragte am Institut für Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie (IPNA) der Universität Basel. (red/APA)