Im Glauben an die Todesstrafe haben die USA, eine Demokratie und ein Rechtsstaat (trotz allem), und z. B. China, keine Demokratie und kein Rechtsstaat, eines gemeinsam. Das ist ein schweres Defizit der amerikanischen Demokratie, das jedes Mal wieder an die Oberfläche kommt, wenn ein höchstwahrscheinlich Unschuldiger hingerichtet wird.

Der Bundesstaat Georgia hat soeben einen 42-jährigen Afroamerikaner, der seit 20 Jahren in der Todeszelle saß, hingerichtet. Er soll einen Polizisten erschossen haben. Es gibt keine Tatwaffe, keine Fingerabdrücke, keine DNA. Sieben von neun Zeugen haben ihre Aussage zurückgezogen. Der Hingerichtete hatte Pech, dass er nicht im Staat Illinois lebte. Dort wurden so viele Fehlurteile aufgedeckt, dass der Gouverneur 2003 167 Todesurteile in "lebenslang" umwandelte und 2011 die Todesstrafe ganz abgeschafft wurde.

Weil etliche Staaten die Todesstrafe ausgesetzt haben, ist die Zahl der Hinrichtungen in den USA in den letzten Jahren zurückgegangen (nicht so in Texas, dessen Gouverneur Rick Perry, möglicher Präsidentschaftskandidat, stolz darauf ist, dass er in zehn Jahren 234 Menschen hinrichten ließ). Die Mehrheit von rund 70 Prozent der Amerikaner, die für die Todesstrafe sind, sinkt zur 50-Prozent-Grenze, wenn man lebenslang ohne Bewährung als Alternative abfragt. Dennoch besteht wenig Hoffnung auf eine baldige Abschaffung, und das bleibt ein schweres Defizit der USA. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.9.2011)