Innsbruck - Ja, von 2008 bis 2010 sei er rechtsradikal gewesen, sagt der mittlerweile 22-jährige Unterländer Marcell W. am Donnerstag vor einem Innsbrucker Schwurgericht: "Aber jetzt ist das alles vorbei", erklärt der schmächtige, kleine Mann in Jeans, Turnschuhen, artigem dunklen Pullover und Fünf-Millimeter-Haarschnitt. Seit "Dresden" sei das vorbei. Denn am 65.Jahrestag der Bombardierung Dresdens am 13. Februar 2010 seien bei einer Neonazi-Demo "von Linken Flaschen und Steine geflogen" und "da hab ich mich gefragt, was ich hier tue".
Aber vorher, Anfang Februar, habe er sehr wohl rechtsradikale Postings verfasst, Nickname "XxX" oder "Alpengermane". Er sorgte dafür, dass auf der neonazistischen Webseite Alpen-Donau. info auch das Horst-Wessel-Lied - eine der Hymnen der NSDAP - zu hören war. Oder damit auch die "andere Seite" der Geschichtsschreibung für Gesinnungskameraden dort nachzulesen sei, wie eben Texte von Nazi-Vordenker Artur Dinter. "Warum haben Sie statt Holocaust das Wort "Hasicaust" in ihren Postings verwendet", fragt der Richter. Weil er sich den Holocaust nicht vorstellen habe können. "Wie sind Sie denn zu Ihrer rechten Gesinnung gekommen", will der Richter wissen. Es habe "Vorfälle" mit Türken gegeben. Deshalb sei er zum Neonazi geworden, mit Bomberjacke, Militärstiefeln und Glatze.
T-Shirts mit "88", dem Code für "Heil Hitler", habe er auch in der Disco getragen. Das Gericht verurteilt Marcell W., nicht rechtskräftig, wegen Wiederbetätigung zu acht Monaten bedingt. Als mildernd wurden das Geständnis gewertet. (Verena Langegger, DER STANDARD, Printausgabe, 23.9.2011)