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Schengen wird also erst einmal nichts für die Bulgarien und ihre latinischen Brüder im Nachbarland. Macht nix. Lange galt der Beitritt zu NATO, EU, Euro oder Schengen als Ausweis für staatliche Stabilität und demokratische Reife. Das ist natürlich alles Unsinn. Was zählt, sind internationale Marken. Konsumbasen, in Beton gegossen, mit dem gleichen Logo von Jütland bis Kreta, den gleichen Arbeitskitteln, dem gleichen Kram in den gleichen Regalen. Nur das beruhigt die nationale Seele. Der Verbraucher will haben, was andere schon haben. Der Konzern aber schaut erst einmal und prüft, ob sich das rentiert, ob diese Menschen dort überhaupt konsumfähig sind.

Der Einzug der Lidl-Kette im vergangenen Jahr war schon ein Hammer. Wochenlang kursierten an bulgarischen Kaffeehaustischen und in bulgarischen Wohnzimmern die Gerüchte über fantastisch billige KekseBierFleischLaptopBananen. Als die Türen aufgingen, war kein Halten mehr. Nun hat Bulgarien aber auch die Beitrittskriterien zu Ikea erfüllt. Regierungschef Boiko Borissov hatte die Grundsteinlegung in Sofia erledigt, Finanzminister Simeon Djankow durfte diese Woche bei der Eröffnung der ersten Filiale des schwedischen Möbelisten in Bulgarien dabei sein, einen Holzblock durchsägen (gemeinsam mit der schwedischen Botschafterin in Sofia) und etwas sagen ("Ich kenne Ikea aus den USA, wo ich gelebt und gearbeitet habe. Ich war dort mit meiner Familie und wir haben Sachen gekauft"). Erst jetzt, im Jahr 22 nach der Wende, ist Bulgarien im Westen angekommen.

Als die Bewohner der Balkanrepublik in der Südostecke Europas noch nicht qualifiziert waren für Ikea, fuhren sie für ein Klappsofa "Beddinge" und einen Satz Kochlöffel "Mixa" mit dem Auto nach Thessaloniki oder karrten ein wenig schwedisch-globalen Hausrat 1000 Kilometer aus der Filiale in der Shopping City Süd, weil es eh schon wurscht war. So sah sie aus, die Realität, erst recht während der Bau-Boomjahre von 2005 bis 2008, als jede Woche drei neue Appartementblöcke in Sofia fertig wurden, und die Wohnungen alle möbliert sein wollten, aber eben nicht irgendwie, sondern genauso wie in Wien und in Lissabon und in Bielefeld und in Budapest sowieso bei diesen ewig vorschnellen Ex-Sozialisten.

Es hat lang gedauert, bis Ikea die Bulgaren wahrgenommen hat. Einen Werbespot hat der Möbelkonzern gedreht über jene junge Dame, die entschieden hat, ihren Sommerurlaub am berüchtigten "Sunny Beach" zwischen Burgas und Varna zu verbringen, und irritiert über den Einwand der Eltern ihre anti-autoritäre Erziehung am Ikea-Mobiliar auslässt. Die Ikea-Küche hat das locker ausgehalten, bei den Eltern ist das nicht so eindeutig:


IKEA Sunny Beach Test von ulfablabla

Jetzt aber sind die Bulgaren wirklich Teil der Ikea-Welt, inklusive 350 neuer Jobs. Allerdings: Wenn man zu lange warten muss, verraucht der Enthusiasmus schon auch. Die Presse hat nicht mitgespielt und Böses geschrieben über extra hohe Preise bei Ikea Sofia, wo doch Bulgarien das ärmste Land der EU ist. Der griechische (!) Franchiser Fourlis, der die zwei Ikea-Filialen in Griechenland und die eine auf Zypern betreibt, hat das wütend zurückgewiesen, aber da war es schon zu spät, der Zweifel schon gesät. Am Eröffnungstag am Dienstag dieser Woche war der Publikumsansturm vergleichsweise zurückhaltend. Ein zweites "Sacco di Lidl" hat nicht stattgefunden. Die Mehrheit der Kunden hat zu Schnapsgläsern, Servietten und Kerzen gegriffen und nicht mehr als 20 Leva, umgerechnet zehn Euro, ausgegeben.