Vor ein paar Monaten wurde der schwelende Handelskonflikt erstmals konkret, nämlich in klingende Dollars gefasst: Die Welthandelsorganisation (WTO) ermächtigte die EU, die USA mit Strafzöllen von vier Milliarden Dollar (3,39 Mrd. Euro) zu belegen, weil Washington seine Exportbranchen versteckt subventioniert. Agrar-, Maschinen-, Kosmetik-, Textil- und andere US-Konzerne durften ihre Exporte bisher über Tochterfirmen in Offshoreparadiesen abwickeln, um Steuern zu umgehen. Auch die Exporte in die EU wurden stark verbilligt, was Brüssel mit Erfolg als Wettbewerbsverzerrung beanstandete.

Die Bush-Administration beschloss 2002, die Staatshilfen für die US-Landwirtschaft binnen eines Jahrzehntes stufenweise um 70 Prozent (auf 190 Mrd. Dollar) zu erhöhen. Hauptleidtragende sind die afrikanischen Baumwollbauern, wie die Brüsseler Agrarexperten im Einklang mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vorrechnen. Aus Washington tönt es zurück, die EU habe dafür die Importzölle auf bereits verarbeitete Agrarprodukte erhöht. Einen Kakaobauern aus Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) käme es damit teurer zu stehen, gemahlenes Pulver in die EU auszuführen als unbehandelte Kakaobohnen; dies widerspiegle den kolonialen Reflex, die Verarbeitung fremder Rohstoffe selber zu übernehmen, um zu Hause Arbeitsplätze zu schaffen.

Fernduell Bush-Chirac

Die gegenseitigen Vorwürfe gipfelten vor dem G-8-Treffen in einem Fernduell zwischen George W. Bush und Jacques Chirac. Der französische Präsident hatte beim letzten Treffen mit afrikanischen Staatschefs vorgeschlagen, "destabilisierende Subventionen bei Agrarexporten" ab 2006 zu suspendieren. Agrarsprecher in Washington erwiderten, Chirac sollte sich bei dem Thema etwas mehr Zurückhaltung auferlegen, da er und die französische Bauernlobby in der EU am stärksten gegen den Abbau von Agrarsubventionen kämpften.

Vor einigen Tagen legte Bush noch ein Schauferl nach: "Die europäischen Regierungen sollten bei der Bekämpfung des Hungers helfen - und sie nicht behindern", meinte er; denn Brüssel behindere die Lieferung von Genmais und von anderen gentechnisch veränderten Produkten nach Afrika "wegen unbegründeter, unwissenschaftlicher Ängste". Das EU-Moratorium für Importe von gentechnisch veränderten Produkten verunmögliche es afrikanischen Bauern, gespendete US-Futtermittel einzusetzen.

Treibende Kraft hinter Bush sind amerikanische Biotechkonzerne wie Monsanto, die in Afrika mit aufwändigen Werbekampagnen und PR-Aktionen auf die Öffnung der Märkte drängen. Umweltorganisationen kritisieren diese Druckversuche und verlangen, dass die "Souveränität" von Ländern wie Sambia - das ein Genmais-Verbot erlassen hat - gewahrt werde.

Chirac hat noch mehr Pfeile im Köcher. Bei der ebenfalls in Evian auf der Tagesordnung stehenden Bekämpfung des Drogenhandels geißelt er vor allem den grassierenden Opiumanbau in Afghanistan. Und damit die amerikanische "Befreiung" vom Taliban-Regime. Weniger indirekt, sondern geradezu "mit Nachdruck" will sich Chirac, wie er selber ankündigte, in Evian für das Umweltabkommen von Kioto einsetzen, das die Amerikaner nicht ratifizieren wollen. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.65.2003)