Wien - Der Konsum von Cannabisprodukten gehört auch in Österreich zu den beliebtesten Wegen zum illegalen Rausch. Während hierzulande der Bedarf großteils durch Kleinschmuggel und Eigenanbau gedeckt wird, mehren sich in Deutschland die Zeichen für einen Einstieg der organisierten Kriminalität in das Geschäft. Eine Entwicklung, die nach Österreich überschwappen könnte.

Die Zahl der deutschen Haschischkonsumenten ist in den vergangenen Jahren gestiegen, organisierte Banden werfen daher zusehends ein Auge auf diesen Markt, berichtete jüngst das Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Ganz schlichte "kaufmännische Grundsätze" verleiten die Kriminellen dazu, meint ein Kölner Ermittler: Die Gewinnspanne sei mittlerweile fast so hoch wie bei Heroin und Kokain, die Strafen fallen aber meist milder aus.

Ameisenverkehr

In Österreich sieht die Lage derzeit noch anders aus, erklärt Erich Zwettler vom Bundeskriminalamt (BK): "Nach unseren Erkenntnissen ist die organisierte Kriminalität im Cannabishandel noch nicht großflächig involviert." Der Großteil des Rauschmittels werde von Privaten im Ameisenverkehr aus dem Ausland, etwa den Niederlanden, in die Alpenrepublik gebracht.

Auffallend sei aber auch der steigende Eigenanbau, etwa im Burgenland und Niederösterreich. So findet sich im Innenministeriumsbericht zur Suchtmittelkriminalität 2001 der Hinweis, dass vermehrt aufgelassene Weinkeller zu Marihuanaplantagen umfunktioniert werden. Dass sich die Drogenmafia aber auch in Österreich stärker im Cannabis-geschäft engagiert, will BK-Mann Zwettler auch nicht ausschließen.

Auf politischer Ebene verfolgt Innenminister Ernst Strasser, wie berichtet, weiter einen strikten Kurs gegen "jede Bagatellisierung von Drogen". Pläne in der Schweiz, Cannabis zu legalisieren, hält er "für einen Rückschritt", wie er bei einer Pressekonferenz vor seiner Abreise zu einem Drogengipfel in Paris ausführte. Bei dieser Gelegenheit sprach er auch davon, dass das "Projekt in Holland als gescheitert gilt", und dort "Politik und Verwaltung mit Vollgas den Rückwärtsgang" einlegen. Eine Aussage, die in den Niederlanden für einige Verwunderung sorgt.


Überraschte Holländer

"Unsere Drogengesetze sind recht kompliziert, vielleicht hatte der Minister nicht die vollständige Information", meint Wim Kook, Pressesprecher im niederländischen Justizministerium auf Anfrage des STANDARD. Es gebe absolut keine Änderung der Linie, den Besitz und Konsum geringer Mengen nicht zu verfolgen. Die bestehenden Vorschriften werden allerdings strenger kontrolliert, der Kampf gegen Großdealer und Züchter soll intensiviert werden.

Auch bei der Pressestelle des Gesundheitsministerium in Den Haag zeigt man sich überrascht. "Die Abgabe von Cannabis aus medizinischen Gründen, etwa zur Schmerzlinderung bei HIV- und Krebspatienten, wurde im Gegenteil sogar erleichtert, seit Mitte März wird es in Apotheken verkauft", meint der Sprecher. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.5.2003)