Europas E-Wirtschaft hat sich vom einst gepriesenen Multi-Utility-Konzept (Strom, Gas, Wasser und Telekom aus einer Hand) klammheimlich verabschiedet, beweist eine Untersuchung des US-Beratungsriesen PricewaterhouseCoopers (PWC) unter europäischen und US-Energiemanagern. Die neue Zauberformel der Strombosse heißt "vertikale Integration", die Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette, nämlich Erzeugung, Netz, Verteilung und Handel.

"Das ist ein totaler Schwenk in der Versorgungswirtschaft, denn noch im Vorjahr sahen die Stromfirmen ihre größte Chance in kombinierten Leistungsangeboten", sagt Bernhard Haider von PWC. Auch die Mehrheit der Unternehmensaquisitionen diene dem Ziel einer verstärkten vertikalen Integration. "2002 wurde die Hälfte aller Deals von diesem Strategiewechsel getrieben, auch als Absicherung gegen Markt- und Kreditrisiken", erläuterte Haider.

Große Gewinnmargen

Ein Grund für die Neuorientierung der Geschäftsmodelle liege in der Erkenntnis, dass man beim Netz - einem natürlichen Monopol - die größten Gewinnmargen einfahren könne. Genau deshalb seien die Regulierungsbehörden bestrebt, die von den Stromfirmen angestrebte vertikale Verbandelung so weit wie möglich zu unterbinden. Laut EU-Richtlinie müssen die Energieunternehmen die einzelnen Wertschöpfungsstufen zumindest gesellschaftsrechtlich trennen. Daher sei es nicht verwunderlich, dass die E-Wirtschaft die Regulierung als größtes Bedrohungpotenzial betrachte. Besonders die Umweltauflagen - Stichwort Ökostrom - würden stärker zu Buche schlagen als der Wettbewerbsdruck.

Zweiter Unsicherheitsfaktor sei die Volatilität der Strom-Großhandelspreise. Eine heilsame Lehre für die Branche sei der Crash des weltweit tätigen und größten Energiehandelsriesen Enron gewesen. Nun gehe nur noch eine kleine Minderheit der Stromfirmen davon aus, ohne eigene Erzeugung, nur mit Trading, am Markt bestehen zu können. (rose/DER STANDARD Print-Ausgabe, 30.5.2003)