Verträglichkeit, Darreichungsform, Sicherheit und Monitoring der Wirkdosis: Auf diesen Gebieten werden sich die Hersteller der neuen Gerinnungshemmer die Patienten wohl untereinander aufteilen. "Ein Viertel aller Patienten mit Vorhofflimmern ist heute noch unbehandelt", schickt Helmuth Rauscher, Leiter der Abteilung Medizin bei Boehringer-Ingelheim, voraus.
Worüber man sich einig ist: Patienten mit Vorhofflimmern sind oft alt und haben nicht selten eine Reihe anderer Erkrankungen. "Komorbidität ist in der echten Welt unser Thema", bringt es Kardiologe Kurt Huber, Primar am Wilhelminenspital Wien, auf den Punkt. Das mache den Einsatz von Medikamenten in dieser Altersklasse auch zu einem komplexen Unterfangen. Prinzipiell geht es darum, zum einen die Thrombenbildung und damit den Schlaganfall durch Blutgerinnungshemmer zu vermeiden, es auf der anderen Seite aber auch zu schaffen, dadurch keine ungewollten Blutungen etwa im Gehirn oder Magen auszulösen.
Pradaxa von Boehringer Ingelheim wird überwiegend über die Nieren ausgeschieden. Das kann bei Nierenschwäche zum Problem werden, und deshalb habe man für diese Hochrisikopatienten auch eine niedrigere Dosierung mitentwickelt, so Rauscher. Bei Xarelto wird, so Marion Kerschbaumer, Medical Affairs Manager von Bayer, nur ein Drittel der Wirksubstanz über die Nieren aus dem Körper geschleust.
Verträglich und sicher
"Schwierig an den neuen Substanzen ist, dass wir einstweilen nicht messen können, wie hoch die Wirkspiegel im Blut sind", gibt Günter Stix, Kardiologe am AKH, zu bedenken. Auch dessen sind sich Medikamentenhersteller bewusst und arbeiten an entsprechenden Tests. Für Pradaxa ist bereits einer am Markt, "seine Aussagekraft aber noch nicht erprobt", so Stix. Warum Ärzte das brauchen? Am dringendsten bei Unfällen oder anderen akuten Blutungen. "Ein rasch wirksames Gegenmittel wäre in solchen Situationen hilfreich", sagt Stix. Das Gegenargument: Auch bei Vitamin-K-Antagonisten wirken Gegenmittel nur sehr langsam. Mit Blutplasma- und Konzentraten bestimmter Gerinnungsfaktoren könnte bei Patienten auf Anti- koagulantien-Therapie ein ähnlicher Effekt in vergleichbarer Zeit erzielt werden", sagt Rauscher.
Bei allen Medikamenten geht es aber immer auch um das Nebenwirkungsprofil. In den Zulassungsstudien für Pradaxa traten vermehrt Magenprobleme, Völlegefühl und Flatulenz auf. Die Ursache: Pradaxa ist eine Kapsel, die ein saures Milieu braucht, um absorbiert zu werden. In den Studien zu Xarelto gab es diese Nebenwirkung nicht.
"Die Verträglichkeit eines Medikaments ist ein Knackpunkt für die Compliance der Patienten", ist Kerschbaumer überzeugt und meint das tägliche Einhalten einer verordneten Therapie. Xarelto, eine Tablette, müssen Patienten nur ein Mal täglich nehmen, "das könnte sich aber auch negativ auf die Konstanz des Wirkspiegels und somit auf die Wirksamkeit auswirken", kontert Rauscher - Pradaxa von Boehringer-Ingelheim kommt in Kapselform und muss zweimal täglich eingenommen werden.
Doch während Pradaxa schon zugelassen ist, müssen Patienten in Österreich auf Xarelto noch bis voraussichtlich ins zweite Quartal 2012 warten.
Genaue Analysen
Sind beide Substanzen also ungefähr gleich gut, obwohl sie auf jeweils andere Zielmoleküle wirken? "Aus jetziger Sicht scheint es egal zu sein, wo die neuen Medikamente in der Gerinnungskaskade ansetzen", sagt Huber, er betont aber, dass wichtiger als der Wirkmechanismus doch das Behandlungsergebnis sei - diesbezüglich solle man die Studienergebnisse genau analysieren. "Beispielsweise konnte Pradaxa das Risiko der durch Blutungen ausgelösten Schlaganfälle um zirka sechzig bis siebzig Prozent reduzieren." (Karin Pollack, DER STANDARD Printausgabe, 26.09.2011)