Wien - Am Anfang die düstere Unterwelt. Aber dann kommt das Licht, ein strahlender Auftritt, eine erlösende Nymphe in weißem Kleidchen. Es ist Adriana Cubides in Golden Baby, dem neuen Stück der aus Kinshasa stammenden Wiener Choreografin Elisabeth B. Tambwe im Wuk.
Das gefällt uns: die Show, das Leichte und Schöne, dieses "Lass deine Sorgen zu Haus" . Entzückend lächelt die Nymphe. Und schon ist vergessen, dass während des Publikumseinlasses im Halbdunkel eine halbnackte Frau zu den ohrenbetäubenden Sounds der Rockband The Melvins verbissen an einem Haufen aus makaber an Körperteile erinnernden Trümmern gezerrt hat.
Und ebenso, dass unmittelbar vor dem Erscheinen des im Stil der 1950er-Jahre gekleideten Strahlemädchens aus dem Verborgenen ein klägliches Wimmern zu vernehmen war. Das "Golden Baby" zaubert Heiterkeit in die Gesichter der Zuschauer. Daran, dass dieses Lächeln bald zerbricht, ist nicht nur Peter Alexander schuld.
Aber mitverantwortlich ist er, der einstige Publikumsliebling. Trat er doch 1964 mit der Bemerkung "Wenn Neger Mode ist, na ja, werd ich halt Neger" auf und sang, verächtlich als Minstrel-Man verkleidet, den Song "My Golden Baby" . Unheimlich grinsten dabei, wie auf Youtube zu sehen ist, seine weiß ins geschwärzte Gesicht geschmierten Lippen. Das gemeine Zähneblecken einer rassistischen Zeit.
Unterhaltungsmarionette
Cubides' rote Lippen führen dieses Showlächeln in zahlreichen Variationen dorthin zurück, woher es stammt: in eine Unterwelt. Dabei wird ihr Körper geknickt und gestürzt. Als Unterhaltungsmarionette beginnt sie den Haufen, der seit Beginn auf der Bühne liegt, aufzulösen. Aus einem der durch ausgestopfte Strümpfe simulierten Fleischteile dringt ein Kratzen, ein Windheulen, und dann, verzerrt, Alexanders Stimme: "Du bist mein Sunshine, du bist meine Lady ..."
Mit ihrem Kleidchen verhüllt die Tänzerin ihren Kopf, bevor sie es ablegt, in eine der Strumpfwürste stopft und die Teile dann an Seilen in den Bühnenraum hängt. Am Ende kann das Publikum diese Verstümmelungsinstallation begutachten. Tambwe bringt mit Golden Baby den auch hierzulande immer noch Urstände feiernden Rassismus in ein bestens funktionierendes Spiel der Spektakelkritik, das von Cubides ausgezeichnet vorgeführt wird. (Helmut Ploebst, DER STANDARD - Printausgabe, 24. September 2011)