
Dave Liniger: "Wir hatten fünf Rezessionen in unserer Firmengeschichte. Aber diese ist die erste, bei der der Wohnungsmarkt als Teilverursacher gilt und sie nicht mehr alleine beenden kann."
Der US-Wohnungsmarkt muss sich zuerst normalisieren, dann gibt es wieder Platz für neue Shoppingcenter, sagt der Remax-Gründer Dave Liniger. Mit Sascha Aumüller sprach er über Wal Mart, heiße Luft und Miami.
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STANDARD: Transportiert Ihr Firmenlogo, der Heißluftballon, nicht die falsche Botschaft in der Krise? Es gibt doch jetzt bestimmt mehr Leute, die sagen: "Im Immobilien-Geschäft steckt zu viel heiße Luft."
Liniger: Diese Assoziation haben wir früher schon oft gehört, als wir gewachsen sind - hauptsächlich von Mitbewerbern. Unser Erfolg hat aber nichts mit heißer Luft zu tun. Das ist nachweisbar.
STANDARD: Und es ist nachweisbar, dass Sie Ihr Unternehmen mitten in einer Rezession gegründet haben - 1973 in der Ölkrise. Prägt das?
Liniger: Es gibt einen alten Spruch: "Du kannst das Geschäft von heute nicht mit Methoden von gestern machen." Man muss also auf Veränderungen reagieren, wie sie passieren. Bestes Beispiel sind die USA mit dem Problem massenhafter Zwangsversteigerungen von Privatimmobilien. Unsere Makler mussten dieses Segment anfangs gar nicht bearbeiten, aber bald gab es immer mehr solcher Objekte. Also haben wir uns entschlossen, innerhalb des Remax-Systems jeden mit den veränderten Marktbedingungen vertraut zu machen.
STANDARD: "Veränderte Marktbedingungen" - das klingt fast zu nett.
Liniger: Wir hatten fünf Rezessionen in unserer Firmengeschichte. Aber diese ist die erste, bei der der Wohnungsmarkt als Teilverursacher gilt und sie nicht mehr alleine beenden kann. Unsere Regierung hatte die wahnwitzige Vorstellung, dass Immobilienpreise immer nur steigen. Warum also prüfen, ob sich jemand eine Hypothek überhaupt leisten kann? Man kann sie ja auch an die Europäer oder Chinesen weiterverkaufen - und jeder gewinnt dabei. Dann begannen die Versteigerungen.
STANDARD: Zum Höhepunkt der Krise haben Sie sich deshalb für Gesetzesänderungen in den USA stark gemacht. Mit welchem Erfolg?
Liniger: Es gab nur kleinere Evolutionen. Zudem wurden Zwangsversteigerungen von den Banken zu rasch und schlampig abgewickelt. Erst kürzlich ist die Staatsanwaltschaft eingeschritten und hat gesagt: "Stoppt diesen Prozess und macht es richtig!" Das hat uns mindestens fünf Jahre gekostet. Und es hat dazu geführt, dass es sich Bauunternehmen kaum leisten können, neue Wohnhäuser zu errichten, obwohl bereits enormer Bedarf besteht.
STANDARD: Wie sieht es mit diesen "verlorenen Jahren" bei amerikanischen Gewerbeimmobilien aus?
Liniger: Die Probleme am Wohnungsmarkt waren dafür nur ein Katalysator. In Wirklichkeit gab es schon vor der Krise zu viele Geschäftsgebäude - jedenfalls zu viele Wal Marts, wenn Sie so wollen. In den USA werden zurzeit praktisch keine neuen Supermärkte oder Shoppingcenter aus dem Boden gestampft. Freiflächen werden nicht mehr, sondern weniger. In Miami gibt es immer noch viele Skelette von Wohnanlagen, die bestimmt zuerst fertiggestellt werden. Aber es arbeiten auch immer mehr Menschen von zu Hause. Das wird in Zukunft Auswirkungen darauf haben, was man überhaupt als Geschäftsfläche definiert.
STANDARD: Wird der Wohnblock zur modernen Gewerbeimmobilie?
Liniger: Neue Apartmentanlagen sind zumindest der erste Lichtblick für den Markt. Es gibt ja Millionen von Menschen, die gerade ihre Häuser verloren haben. Diese Leute ziehen jetzt in Wohnungen.
STANDARD: Diesen Lichtblick formulierten Sie im August 2009 so: "In zwei Jahren ist alles vorbei. Dann gibt es einen neuen Wohnungsboom, der die nächsten zehn Jahre hält." Jetzt haben wir September 2011.
Liniger: Ich war aber auch derjenige, der davor noch aus vollen Lungen geschrien hat: "Es gibt eine Blase. Hört auf mit dem Mist!" Neue Prognose: In den USA werden jetzt fünf Millionen Häuser pro Jahr verkauft. Unser Geschäft steigt nächstes Jahr um zehn Prozent und übernächstes um weitere zehn Prozent. Bei sechs Millionen Häusern ist der Spuk mit den Zwangsversteigerungen vorbei - und die Preise steigen wieder. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25.9.2011)