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Auch der Tambourmajor (Xaver Hutter) lässt den armen Woyzeck (Raphael von Bargen) deutlich spüren, was Hilflosigkeit zu bedeuten hat.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Wien - Es war ein bisschen wie bei einer ehrenvoll scheiternden All-Star-Band: Man spannt Kapazitäten zusammen, die für sich genommen eine ganze Menge abendfüllender Qualität hergeben würden - doch leider: Statt des erhofften Mehrwerts durch eine Verschmelzung edler Elemente erlebt man ein Nebeneinander des vorhandenen Potenzials, das sich dann auch noch gegenseitig behindert.

Das im Titel des neuen Werkes angeführte Duo (Woyzeck & The Tiger Lillies) ist damit nicht gemeint. Das Musiker-Trio mit seinen makabren Liederpoesien und der aller harmlosen Schmusigkeit beraubten "giftigen" Stimme (von Martyn Jacques) versprüht kommentierend und nachbetrachtend eine durchaus passende Atmosphäre zertretener Idyllen. Und auch der arme Woyzeck ist bei Raphael von Bargen gut aufgehoben, dessen Intensität indes unter anderen Rahmenbedingungen erst entscheidend zur Entfaltung gekommen wäre.

Gemeint ist eher die Folge der kühnen Annahme, man könne zwischen zwei historisch erfolgreichen Genres - Musical und Drama - künstlerisches Einvernehmen herstellen. Georg Büchners Szenen einer von der Umwelt gebrauchten, gedemütigten und ratlos vor sich hin philosophierenden Seele, die schließlich nur kurz als Mörder grässlich Kontrolle über das eigene Leben zu erlangen scheint, musicalhaft aufgelockert zu präsentieren, geht allerdings nicht, ohne sie auszudünnen.

Sie ernst und quälend zu belassen, wie sie nun einmal sind - davor ist man andererseits (verständlicherweise) zurückgeschreckt. Mit dem Wesen des Musical hätte das dann nicht einmal im weitesten Sinne etwas zu tun gehabt. So wurde daraus eine Nummernrevue, eine Collage aus Tiger-Lillies-Konzert und brav inszeniertem Büchner mit starken individuellen Momenten, wobei das Ganze selten vom Fleck kam und für humorige Missverständnisse sorgte.

"Lustige" Demütigung

Am entlarvendsten der lustige Augenblick: Da wird der arme Woyzeck vom Hauptmann (routiniert Präsenz ausspielend: Ben Becker) belehrt und verbal gequält; Regisseurin Stephanie Mohr lässt das Opfer allerdings als Mix aus Mister Bean und Schwejk slapstickartig mit Rasierschaum und -messer herumspielen, worauf Publikumsteilen ganz heiter ums Herz wurde. Von da an gab es für lange Zeit kein Halten mehr - Woyzeck fand sich zur Komödie umfunktioniert. Wobei: Nach der Pause wurde es etwas dichter in diesem durch Wohnwagen, Imbissbude und trostlosen Baracken zusammengehaltenen Ambiente.

Da überlagerten einander Musik (durchaus in passenden düsteren Harmoniefarben gehalten die von den Brassisten tadellos umgesetzten Ideen von Christian Kolonovits) und Drama bisweilen substanzvoll. Da schritt die emotionale Dekonstruktion der Figuren markant durch vollen Körpereinsatz voran (intensiv Ruth Brauer-Kvam als Marie). Ein bisschen spät allerdings, um einen zureichenden Grund dafür entstehen zu lassen, warum man diesen Stoff mit dem Genre Musical ummanteln hat müssen. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD - Printausgabe, 26. September 2011)