Wien - Mitunter setzt sich Theater über alle möglichen Einwände einfach hinweg: Die Reise nennen Jacqueline Kornmüller und Co-Produzent Peter Wolf ihr Erzählprojekt, in dem 30 Migranten beiderlei Geschlechts von ihren meist unfreiwilligen Transitbewegungen herüber in unsere Wohlstandsbreiten erzählen.

Einen hohen Kasten hat Kornmüller für ihr dokumentarisches Gruppenprotokoll in das Wiener Volkstheater hineinbauen lassen: Die Rückwand scheint jederzeit imstande, die bei uns untergekommenen Menschen plattzudrücken. Flüchtlinge aus Ungarn, Bosnien, Afghanistan, Tschetschenien, aber auch aus der Ukraine oder Spanien rekapitulieren die überwiegend betrüblichen Umstände ihrer individuellen Anstrengungen. Die Leute geraten aufgrund von Kornmüllers kluger Regie in ein gemeinschaftliches Agieren, das Tanzbewegungen einschließt, kollektives Koffertragen, aber auch banges Sitzen im Boot, das die Unglücklichen nach Lampedusa trägt.

Aus dem babylonischen Gewirr der nacheinander aufgerufenen Stimmen entsteht ein Erzähldickicht. In diesem blitzen wiederholt die Unwörter jener Verwaltungslogik auf, mit denen sich Europa die weniger privilegierten Mitglieder der Weltgesellschaft pikiert vom Leib hält: "Frontex", "Auffanglager", "Schubhaft".

Mit Beckmesserei ist dieser Reise nicht beizukommen: Folterberichte strapazieren Erzählerin und Publikum gleichermaßen. Der Schlussauftritt der verehrungswürdigen Ute Bock war dafür knapp und trocken. (Ronald Pohl, DER STANDARD - Printausgabe, 26. September 2011)