Gudrun Biffl ist Ökonomin und Dekanin der Donau-Universität-Krems, wo sie das Department Migration und Globalisierung leitet. Sie hat sich nicht nur wissenschaftlich mit Gender-Budgeting beschäftigt, sondern auch verschiedene Ministerien in Sachen Gleichstellung beraten und an Konzepten mitgewirkt. Zwischen 1975 und 2009 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO).

Foto: Matthias Cremer

Alle reden über die anstehende Steuerreform. Von einer Überprüfung, wie jeder Euro, der im Rahmen des Staatshaushalts eingesetzt wird, auf die Gleichstellung von Frauen und Männer, wirkt, ist jedoch keine Spur. Dabei ist Gender-Budgeting seit 2009 in der Bundesfinanzverfassung verankert und muss nach dem neuen Haushaltsrecht 2013 erstmals umgesetzt sein. Wie soll das gelingen? Wie könnte in Schlüsselressorts wie Finanz- und Wirtschaftsministerium Gender-Budgeting vorangetrieben werden? Was muss geschehen, um dieses gleichstellungspolitische Lenkungsinstrument aus einer Analyse-, hin zu einer Umsetzungsebene zu manövrieren? Diese und andere Fragen richtete dieStandard.at an die Ökonomin Gudrun Biffl, die aufgrund eines überquellenden Terminplans und eines Japan-Aufenthalts die Fragen via Email beantwortete.

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dieStandard.at: Die bevorstehende Steuerreform ist in aller Munde. Wie bewerten Sie diese Debatte aus frauenpolitischer Sicht?

Gudrun Biffl: Steuerreformen sind in regelmäßigen Abständen notwendig. Es bringt Frauen in den unteren Einkommensschichten immer etwas, wenn es zu Reformen kommt - insbesondere, wenn die oberen Einkommensgruppen einen größeren Beitrag leisten müssen.

dieStandard.at: Sowohl Finanzministerin Maria Fekter als auch Stimmen aus EU-Kreisen ist die Präferenz einer Flat-Tax zu entnehmen. Diese Steuer-Vereinheitlichung ist für Frauen aber besonders problematisch.

Biffl: Ich kann nicht glauben, dass es einen Umstieg von einem sehr komplexen System, wie dem österreichischen, zu einer Flat-Tax kommt. Diese macht nur in Ländern Sinn, in denen es eine geringe Steuermoral gibt. Das ist in Österreich ja nicht so sehr der Fall.

dieStandard.at: Fragen der Besteuerung sind immer auch Fragen des Staatsverständnisses: Mit welchem Staatsverständnis haben wir es in Österreich zu tun?

Biffl: In Österreich spielt die Umverteilung von Reich zu Arm, beziehungsweise von Phasen des Einkommens auf Phasen des Einkommensausfalls eine wichtige Rolle. Hier bewegt sich Österreich im internationalen Mittelfeld. Ein Problem ist allerdings der Generationenausgleich, das heißt, das Steuersystem ist nicht generationengerecht. Die Jugend wird immer mehr vernachlässigt und damit ist kein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu sichern.

dieStandard.at: Durch die Bundesfinanzverfassung sind PolitikerInnen seit 2009 zu Gender-Budgeting verpflichtet. Bisher entstand nicht der Eindruck, dass das wirklich geschieht - auch die Arbeiterkammer vermisst Ergebnisse. Teilen Sie diese Ansicht?

Biffl: Ja, der Meinung bin ich auch. Das Grundproblem liegt im starken Verharren von Rollendenken. Es wird automatisch zu mehr Gleichbehandlung kommen, wenn das Schulsystem auf Ganztagsschulen umstellt und die Kindergärten zu flexiblen Einrichtungen werden, die die Kombination von Beruf und Familie erleichtern. Solange über Transferleistungen und Alleinverdienerabsetzbeträge das Zuhause-Bleiben gefördert wird, quasi ein Haushaltslohn bezahlt wird, der allerdings nicht mit einer eigenständigen sozialversicherungsrechtlichen Absicherung gekoppelt ist, wird es nicht zu einer Gleichstellung der Lebenschancen und Einkommen der Frauen kommen.

dieStandard.at: Initiativen in Schlüsselressorts wie dem Finanz- und dem Wirtschaftministerium fehlen aber bisher weitgehend.

Biffl: Eine Kombination von Faktoren die pari-passu (im gleichen Schritt; Anm.) zu ändern sind, ist notwendig. Die Organisation der sozialen Dienste über den Markt wäre ein wichtiger Ansatz. Das heißt, mit sozialversicherungsrechtlich abgesicherter Beschäftigung, flexibel, mobil und unter Einbeziehung der Haushalte, sowie der Vernetzung sozialer Dienste.

dieStandard.at: Um die Notstandshilfe beziehen zu können, wird nach wie vor das PartnerInnen-Einkommen als Bemessungsgrundlage herangezogen (dieStandard.at berichtete). Von dieser Radikalkürzung sind zu 82 Prozent Frauen betroffen. Wie rechtfertigt man so ein Gesetz vor dem Hintergrund des Gender-Budgeting?

Biffl: Notstandshilfe wird zwar aus dem Arbeitslosen-Versicherungstopf bezahlt, ist aber quasi eine Sozialleistung - sprich Bedürftigkeit zählt. Dafür gilt aber die Familieneinkommenslage. Daran wird man so schnell nichts ändern können. Eine Alternative liegt in ihrem Wegfall und der Anwendung der Sozialhilfe-Regelung. Das wäre keine Verbesserung für Frauen.

dieStandard.at: Gender-Budgeting verfassungsrechtlich zu verankern scheint nicht zu reichen. Was läuft in der Umsetzung schief?

Biffl: Gesetze beziehungsweise Regelungen braucht es in einer Gruppe von Bereichen gleichzeitig. Das ist schwierig umzusetzen, daher haben wir einen extrem langsamen Prozess, der dazu führt, dass Beruf und Familien schwer vereinbar sind, was sich in einer geringen Kinderzahl ebenso spiegelt wie in einem großen Gender-Pay-Gap, der im mittleren Alter, wenn sich Frauen für Kind und Pflege aus der Karriereschleife nehmen, indem sie auf Teilzeit gehen, einsetzt. Die 'verlorenen' Jahre sind nicht mehr einzuholen, nicht zuletzt weil wir keinen gut organisierten Arbeitsmarkt für Ältere haben. Der Frühaustritt aus dem Erwerbsleben bedeutet, dass die Karriere auch nicht mit einer Verzögerung einsetzt, da ja schon mit 60 Jahren der Abgang geplant wird.

dieStandard.at: Wie kann bei Gender-Budgeting der Übertritt von einer Analyse- hin zu einer Umsetzungsebene vonstattengehen?

Biffl: Tatsächlich muss in allen Gebietskörperschaften, in allen Ressorts gleichzeitig daran gearbeitet werden. Das heißt zu untersuchen, welche Barrieren es Vorort für Frauen gibt, sich voll einzubringen. Mein Mantra lautet: Vermarktung und Vernetzung sozialer Dienste, also aus dem Haushalt outsourcen. Dazu braucht es eine Vielzahl von Politiken und Ressorts, um das zu unterstützen - wahrscheinlich auch eine Startup-Finanzierung. Wenn Minister Mitterlehner und Minister Hundsdorfer gemeinsam Schritte in Richtung Vermarktung und Vernetzung der sozialen Dienstleistungen machen würden, Startup-Finanzierungen ins Auge fassen würden, dann könnte man schon jetzt, ohne viele gesetzliche Veränderungen, eine neue gesellschaftliche Organisationsform der Arbeit in haushaltsnahen Diensten umsetzen. Das wäre wohl der rascheste Weg.

dieStandard.at: 2013 soll Gender-Budgeting nach dem neuen Haushaltsrecht erstmals umgesetzt sein. Wird das Ihrer Meinung nach gelingen?

Biffl: Gender-Budgeting ist nur der Beginn. Dieser macht sichtbar, wo die Probleme liegen und liefert Anhaltspunkte für eine 'Steuerungsumstellung'. Aber die Herausforderung liegt im gesellschaftspolitischen Wandel, der mit einer anderen Organisationsform haushaltsnaher Dienste Hand in Hand geht.

(Die Fragen stellte Sandra Ernst Kaiser, dieStandard.at 25.9.2011)