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Foto: EPA/Weihrauch

Wien - Der börsenotierte Sportwettenriese bwin soll in Deutschland in einen Datenskandal involviert sein. Demnach wurden zehntausende Daten von bwin-Kunden samt aktuellen Telefonnummern in der Lotto- und Glücksspielszene zum Kauf angeboten. bwin sieht sich als Opfer. Der Adresshändler Hermes Direkt habe sich die Daten "unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erschlichen". Dieser wiederum versichert, das Geschäft sei sauber gewesen. Die Datenschützer des Bundeslands Nordrhein-Westfalen sind alarmiert.

Das berichtet derwesten.de, ein Portal der deutschen WAZ-Mediengruppe, dem Unterlagen vorlegen, die für einen "skrupellosen Handel mit geschützten Daten" sprechen. In einem Schreiben an Lottogeschäfte im Ruhrgebiet habe der Adresshändler Hermes Direkt im April die Daten von bwin-Kunden angeboten. Zehntausende seien vorrätig. Die Mietpreise hätten von 170 Euro für 1.000 Postmailings bis zu 700 Euro für Aktionen mit den aktuellen Telefonnummern der bwin-Gemeinde gereicht.

Die betroffenen Kunden hätten nichts davon geahnt, dass ihre Daten verkauft wurden. Der Schweizer Hermes-Direkt-Ableger biete nicht nur die Adressen von "4 bis 4,5 Millionen Leuten" an, "die über Callcenter Geld für Glücksspiele ausgegeben haben". Auch die Telefonnummern seien zu haben, habe der Händler der WAZ am Telefon versichert - dies alles ohne gesetzlich vorgeschriebene Zustimmung der Betroffenen. "Wir haben bei diesen Callcentern keine Information über ein opt-in, ein Einverständnis mit Telefonmarketing. Die Callcenter behaupten zwar immer 'Ja, das hat der gesagt', aber wir können es nicht beweisen - und die Callcenter können es genauso wenig beweisen." Klar sei, "dass es vom Callcenter her keine Adressen gibt mit opt-in". Man wisse, dass es "nicht realistisch" sei, dass eine Einverständniserklärung vorliege. Adressen mit opt-in seien dafür "über den Daumen dreißig Prozent teurer als die ohne opt-in." Und: "Die Kauffreudigen sind nicht unbedingt die, die das opt-in gegeben haben."

bwin selbst sieht sich als Opfer. Jürgen Wolff, Geschäftsführer der Hermes Direkt GmbH in Troisdorf, habe sich die Adressen "unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erschlichen" und wolle nun "die widerrechtlich erlangten Daten zu Geld machen", zitiert die WAZ einen bwin-Sprecher. Wolff habe mehrfach bei bwin nach "echt gelaufenen Briefumschlägen und Postkarten" gefragt. Wolffs Begründung: Man sammle Briefmarken. Ein bwin-Mitarbeiter habe ein Herz für Philatelisten, so seien die Kuverts mit den Adressen von Briefwettern bei Hermes gelandet. "Die Zahl der Umschläge ist nicht dokumentiert", so bwin.

Der österreichisch-britische Wettkonzern betonte am Sonntag in Wien: "bwin hat zu keinem Zeitpunkt mit Adressen gehandelt oder Kundendaten verkauft." An einen "vermeintlichen Briefmarkensammler" seien "alte und leere Umschläge von Briefwettenkunden zum Kilopreis weitergegeben" worden. Dieser habe angegeben, die Briefmarken dieser Umschläge verwerten zu wollen, "hat aber offensichtlich sich auf diesem Weg einige Adressen durch Täuschung zu erschleichen versucht." Bei den Kuverts habe es sich um "Rückantwortumschläge mit eingedruckter bwin-Adresse" gehandelt, die "größtenteils nicht mit Absenderdaten beschriftet" gewesen seien, so das Unternehmen. Jene Kuverts, die Absenderadressen enthielten, seien aussortiert worden, "lediglich einige vereinzelte wurden dabei versehentlich übersehen."

In den Unterlagen, die der WAZ vorliegen, ist laut Bericht hingegen die Rede von 110.000 Adressen, die bwin-Spielern gehörten und heute frei zum Verkauf angeboten würden. Eine lukrative Zielgruppe: "begeisterte Wettfreunde", "zu neunzig Prozent männlich und meist älter", darunter viele "Mehrfachteilnehmer".

bwin dazu heute: Die im Markt angebotenen "angeblich über 100.000 'Kundendaten'" könnten "nicht aus dieser Quelle stammen, da das Briefwettangebot bei bwin e.K. in Neugersdorf bei weitem nicht so viele Kunden nutzen. Nach unseren Einschätzungen lag die Anzahl noch vorhandener, verschiedener Adressen auf den Umschlägen nur noch im dreistelligen Bereich." bwin e.K. in Neugersdorf vernichte als Konsequenz aus diesem Vorfall alle Umschläge von Kunden in einem Papierschredder.

Man bedaure die "Irritationen, die durch den Vorfall entstanden sind", nehme das Thema Datenschutz "sehr ernst".

Adresshändler Wolff wiederum weist die Anschuldigungen zurück. "Wir möchten uns für Ware, die wir rechtmäßig vom Eigentümer selbst erworben haben, nicht nachträglich diskriminieren lassen, zumal der Lieferant selbst die vor Monaten angekündigten zivilrechtlichen Schritte bis heute wohlweislich nicht beschritten hat", wird er von der WAZ zitiert.

Deutsche Datenschützer finden dies "unglaublich". Bettina Gayk, Sprecherin des NRW-Datenschutzbeauftragten, sprach gegenüber von einem "kalkulierten Rechtsbruch." Es sei "definitiv unzulässig", Adressen mit Telefonnummern ohne Einverständnis für Werbezwecke weiterzugeben. Dass Adresshändler "wider besseres Wissen" entsprechende Bestätigungen geben, sei jedoch zunehmend "gängige Praxis". Adresshändler Wolff ist für die Datenschützer übrigens kein Unbekannter. Gayk habe dessen Büro in Troisdorf bereits vor Jahren einen Besuch abgestattet und "wäschekörbeweise Briefumschläge" gefunden. Auf Nachfrage habe es geheißen: "Nein, hier findet kein Adresshandel statt. Wir sammeln Briefmarken." (APA)