Es ist sieben Uhr abends in der Hainburger Haydn-Bibliothek, benannt nach dem Komponisten Joseph Haydn, der hier mit sechs Jahren die Schulbank drückte. Die drei Slowakinnen, die soeben eben eingetroffen sind, wollen nicht ein Buch ausleihen, sondern Deutsch lernen. Alle zwei bis drei Wochen, Donnerstags, wenn die Bibliothek am längsten geöffnet hat, beginnt nach der Schließzeit die Plauderrunde "Deutsch um 7".
"Beisammensitzen und Plaudern"
Es handelt sich nicht um einen regulären Deutschkurs, sondern um Konversationsabende. "Wir sitzen eine Stunde beisammen und plaudern einfach", so die Bibliotheksleiterin Renate Glaw. Die ehemalige Volksschullehrerin hatte die Idee zu den Deutsch-Plauderrunden. Ein ähnliches Konzept gibt es bereits seit mehr als zehn Jahren für Hainburger, die ihr Schul-Englisch pflegen und ausbauen wollen. Die treffen sich dann in der Bibliothek, um in der "Chatterbox" auf Englisch zu plaudern.
Vor einem Jahr rief Glaw dann "Deutsch um 7" ins Leben. Primär, um interessierten Zuwanderern in Hainburg die Möglichkeit zu geben in ungezwungener Atmosphäre, fernab von Grammatikregeln und starrem Vokabellernen, Deutsch zu üben. "Wir reden über alltägliche Dinge, ich frage die Teilnehmerinnen, wie es ihnen geht, was sie so gemacht haben und sie stellen dann auch mir Fragen", beschreibt Glaw die Atmosphäre beim Deutschlernen in der Bibliothek.
Kontakt mit der deutschen Sprache
Renata ist heute extra mit dem Bus aus Bratislava angereist. Die Lektorin hat schon in der Schule die deutsche Sprache gelernt und auch ihr Vater und die Großeltern sprachen Deutsch zuhause, aber seit der Kindheit ist die Sprache immer mehr in Vergessenheit geraten.
Katarina, eine junge Mutter, die erst vor zwei Jahren nach Hainburg zugezogen ist, tut sich auch noch schwer mit dem Deutschsprechen. "Ich bin nach Hainburg gezogen, um Deutsch zu lernen, aber in der Wohnhausanlage, in der ich wohne, leben überwiegend Slowaken, also hat das noch nicht so geklappt mit dem Deutschsprechen", erzählt Katarina. Viele österreichische Freunde hat sie auch noch nicht gefunden, deswegen war sie sehr froh, als sie vom Angebot "Deutsch um 7" gehört hat. "Ich freue mich jedes Mal auf den Abend, selbst wenn ich nicht soviel rede, schon das Zuhören bringt mir sehr viel."
Auch wenn sie nicht alles versteht, was Renate Glaw und ihre Kollegin Ingrid Niedermayer erzählen. Denn mit der deutschen Sprache kommt sie sonst nicht so oft in Kontakt. "Meine fünfjährige Tochter, die hier in den Kindergarten geht, kann noch nicht Deutsch, in ihrem Kindergarten sind zu viele slowakische Kinder", bedauert Katharina, die momentan in Karenz ist und davor in Bratislava gearbeitet hat.
"Türkische Mütter kommen nicht"
Eigentlich waren die Deutsch-Plauderrunden für die türkischen Einwanderer in Hainburg gedacht. "Aber die kommen einfach nicht", äußert sich Renate Glaw enttäuscht. Vergeblich hat sie schon bei der örtlichen Moschee und einer türkischen Greißlerin darum gebeten, dass diese auch andere türkischstämmige Hainburger über das kostenlose Angebot informieren. "Die Kinder kommen schon, um an den Märchenstunden teilzunehmen oder Bücher auszuleihen, aber die türkischen Mütter bleiben draußen und warten auf die Kinder", berichtet Glaw.
Dabei meint sie die Mütter, die kein Deutsch können, und erst vor kurzer Zeit eingewandert sind. Denn die in zweiter oder dritter Generation aufgewachsenen Kinder der türkischen Zuwanderer haben solch Konversationsstunden gar nicht nötig. "Eine junge türkischstämmige Mutter hat sich sehr dagegen gewehrt, dass ihre Tochter auch türkische Kinderbücher aus unserer Bibliothek mit nachhause nimmt. Ihr war wichtig, dass ihre Tochter die deutsche Sprache sehr gut beherrscht", erzählt die Bibliothekarin. (Güler Alkan, 26. September 2011, daStandard.at)