Einschnitte ins Pensionssystem aufgrund der Bevölkerungsentwicklung wären eigentlich erst später notwendig, meint Arbeiterkammerpräsident Herbert Tumpel. Davor wünscht er sich ein "Übergangsrecht". Mit ihm sprach Martina Salomon.

STANDARD: Sie und der ÖGB werden von der Regierung als Lobbyisten des Stillstandes bezeichnet. Was sagen Sie dazu? Tumpel: Stimmt nicht. Wir haben in der von der Regierung eingesetzten Pensionsreformkommission mitgearbeitet.

STANDARD: Was könnte Ihnen von der Regierung angeboten werden, damit Sie sich noch einmal zusammensetzen?

Tumpel: Sie hätte bei den vier Gesprächen Zeit gehabt, in den für uns wichtigen Fragen ein konkretes Angebot zu machen. Das ist nicht geschehen.

STANDARD: Wollen Sie überhaupt eine Pensionsreform?

Tumpel: Ja. Ziel für uns wäre ein leistungsorientiertes Pensionskonto. Und wir sagen, es braucht auch 2030 und 2040 einen Bundesbeitrag, um die demografische Entwicklung entsprechend abzusichern. Das will die Regierung nicht, und daher kommt es zu dramatischen Kürzungen. Bei den Frauenpensionen ist das derzeitige Angebot der Regierung absolut unzureichend. Das führt nicht zu einer Frauenpension, von der man entsprechend leben kann.

STANDARD: Das kostet dann aber mehr als vorher, oder?

Tumpel: Eltern brauchen eine deutlich andere Bewertung der Zeiten, die für Kinder- erziehung notwendig sind. Jetzt werden die Pensionen für Frauen noch stärker sinken. Das Angebot der Regierung in diesem Punkt ist absolut nicht befriedigend. Außerdem kritisieren wir überfallsartige Einschnitte in die Pensionen.

STANDARD: Das wurde allerdings abgemildert.

Tumpel: Mit Verlaub, wenn jemand eine Durchschnittspension erwartet und nun eine zwölfprozentige Kürzung bekommt, dann sind das eineinhalb Monate Pensionsbezug weniger. Das ist unzumutbar.

STANDARD: Angeblich verlieren neu in Pension gehende Frauen drei, Männer 5,7 Prozent.

Tumpel: Nein, nein, nein, das sind Falschmeldungen. Das ist für uns nicht nachvollziehbar.

STANDARD: Sind Sie gegen die Abschaffung der Frühpension?

Tumpel: Die Menschen sollen Wahlfreiheit haben, wann sie in Pension gehen. Wir wollen eine faire Behandlung für Menschen, die lange arbeiten. Bauarbeiter kommen - saisonbedingt - nicht auf 45 Beitragsjahre.

STANDARD: Da soll eine Schwerarbeiterregelung kommen.

Tumpel: Am Tag X. Darauf lasse ich mich nicht vertrösten.

STANDARD: Auch die AK wird es für nötig halten, aus demografischen Gründen Geld ins System zu pumpen, oder?

Tumpel: Ja, dann reden wir über 2018, 2024, 2030. Dann erst beginnt sich die ungünstige Demografie aufs Pensionssystem auszuwirken.

STANDARD: Vorher darf es niemanden treffen?

Tumpel: Das habe ich nicht gesagt. Über ein Übergangsrecht waren wir gesprächsbereit. Die Regierung ist darauf aber nicht eingegangen.

STANDARD: Sorgen Sie sich nicht, dass die Stimmung nach weiteren Streiks vielleicht gegen Sie kippt?

Tumpel: Ich weiß nur aus unseren täglichen Kontakten, dass sich die Betroffenen in Ihrer Lebensplanung nicht auf eine derartig radikale Streichung einstellen können. (DER STANDARD, Printausgabe 30.05.2003)