Madrid - Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero hat am Montag das spanische Parlament aufgelöst. Damit wird nicht nur der Weg für die vorgezogenen spanischen Parlamentswahlen am 20. November frei, sondern endet auch die "Ära Zapatero".
Bereits im April hatte Zapatero kurz vor den landesweiten Kommunal- und Regionalwahlen Mitte Mai angekündigt, sich nicht erneut zur Wahl aufstellen zu lassen. Doch auch der neue sozialistische Spitzenkandidat Alfredo Perez Rubalcaba wird es schwer haben, ein erneutes Wahldebakel der Sozialisten wie im Mai zu verhindern. Alle Zeichen stehen in Spanien auf Regierungswechsel. Die Frage scheint nur noch zu sein, ob Oppositionsführer Mariano Rajoy von der Konservativen Volkspartei (PP) mit absoluter Mehrheit die kommenden Parlamentswahlen gewinnen wird oder nicht.
Der Grund: Zapateros zweite Amtszeit, die bereits als "Krisen-Legislaturperiode" bezeichnet wird, endet mit einem historischen Arbeitslosenrekord von über 21 Prozent, die Wirtschaft stagniert und die von Brüssel geforderte Begbrenzung des Budgetdefizit dürfte 2011 nur schwer einzuhalten sein.
Während Zapateros zweite Amtszeit ganz im Zeichen des wirtschaftlichen Verfalls Spaniens stand, war seine erste Legislaturperiode von Aufbruchsstimmung und einer Reihe fortschrittlicher Gesetze und Entscheidungen geprägt. Zapatero ließ 2004 als frisch gebackener Ministerpräsident als erstes die spanischen Truppen abziehen, die sein konservativer Vorgänger José Maria Aznar gegen den Wunsch der meisten Spanier auf Bitte des damaligen US-Präsidenten George W. Bush gegen Diktator Saddam Hussein in den Irak geschickt hatte.
Danach ging Zapatero wichtige soziale und politische Reformen an: Er liberalisierte das Abtreibungsgesetz, führte die Homo-Ehe ein und erließ ein Gesetz zur Aufarbeitung des Bürgerkrieges und der Franco-Diktatur. Er richtete ein neues Ministerium für die Gleichberechtigung der Frau ein, verschärfte das Nichtrauchergesetz und führte Babyschecks ein. Im Kampf gegen die baskische Terrororganisation ETA feierte er große Polizei-Erfolge, auch wenn die ETA den eingeschlagenen Friedensprozess wieder scheitern ließ.
Doch dann setzte zu Beginn seiner zweiten Amtszeit im Sommer 2008 die internationale Finanzkrise ein. Die spanische Immobilienblase platzte. Die Baubranche, einer der wichtigsten spanischen Wirtschaftspfeiler, geriet in eine schwere Krise und riss andere Bereiche mit sich. Zapatero wurde plötzlich gezwungen, sich von seinen Sozialreformen zu verabschieden. Er reagierte jedoch zögerlich und spät. Bis 2009 weigerte sich der Sozialist sogar, überhaupt das Wort "Krise" zu benutzen.
Die späte Reaktion der Regierung auf die Wirtschaftskrise hatte Folgen. Zapatero konnte nicht mehr präventiv gegensteuern und verlor sich in einem unpopulären wirtschaftspolitischen Zickzack-Kurs. 2010 kürzte er massiv die Sozialausgaben und Beamtengehälter. Selbst der erst 2007 eingeführte Babyscheck und die Steuererleichterungen wurden wieder abgeschafft. Zapatero ließ das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 anheben und liberalisierte den Arbeitsmarkt. Selbst das sozialistische Tabu-Thema, die gesetzliche Erleichterung von Entlassungen, wurde angegangen und brachte den Sozialisten im September vergangenen Jahres den ersten Generalstreik ein.
Zapatero hatte kaum noch Spielraum. Die Überschüsse der vergangenen Jahre waren durch die einsetzende Wirtschaftskrise verpufft. Zahlreiche Wirtschaftsreformen wie die Förderung erneuerbarer Energiequellen wurden wieder auf Eis gelegt. Selbst im Gesundheitswesen und Bildungsbereich müssen staatliche Angestellte derzeit mit Massenentlassungen rechnen. Rentable Staatsunternehmen wie die Großflughäfen in Madrid und Barcelona sowie die spanische Staatslotterie mussten jüngst sogar teilprivatisiert werden. Danach führten die Sozialisten erneut für die kommenden zwei Jahre die Reichensteuer wieder ein, die sie erst vor drei Jahren abgeschafft hatten.
Das war zu offensichtlich eine wahlstrategische Entscheidung und untermauerte bei der großen Mehrheit der Bevölkerung den Eindruck einer fehlenden wirtschaftspolitischen Strategie. Die meisten Spanier sehen in den Maßnahmen der Regierung nur noch hilflose Gegenaktionen statt einer weitblickende Wirtschaftspolitik zur langfristigen Bekämpfung der Wirtschaftskrise. Das ließen die Wähler die Sozialisten bereits bei den Kommunalwahlen im vergangenen Mai mit einem historischen Wahldebakel spüren, welches der konservativen Opposition in elf der insgesamt 17 spanischen Autonomien die Machtübernahme ermöglichte. Am 20. November dürfte die Sozialisten deshalb ein ähnliches Panorama erwarten. Laut einer Umfrage der Zeitung "El Periódico de Catalunya" vom Montag dürfte die konservative Volkspartei bei den vorgezogenen Parlamentswahlen mit 46,1 Prozent der Stimme eine absolute Mehrheit erreichen. (APA)