Altes Instrumentarium als Kulisse, aber das Herz ist nicht dabei. Kitty, Daisy & Lewis rumpeln sich routiniert durch ihr erstes Wien-Konzert.

Foto: Standard/Robert Newald

Das wirkt bei ihrem Wien-Debüt zwar stilecht, gefühlsecht ist allerdings anders.

Wien - Rock 'n' Roll gilt als emanzipatorische Kunst. Als Weg, den Eltern mit dem undankbaren Kindspopo ins Gesicht zu fahren, sich in Straßenschuhen auf den Teppich zu stellen und "Ich esse meine Suppe nicht" zu sagen. Oder Schlimmeres. So will es der Mythos. Dabei war das nicht immer so. Sogar der allgemein als König des Fachs geltende Elvis Presley spielte seine erste Schallplatte nur wegen und für Muttis Geburtstag ein, so viel zu seiner revolutionären Kraft.

Der Grund für derlei trübsinniges Memorieren steht am Sonntagabend in der Wiener Arena auf der Bühne. Die britische Band Kitty, Daisy & Lewis musiziert erstmals in Österreich.

Der Bandname klingt zwar als wären die drei aus Disneyworld ausgebrochen, tatsächlich handelt es sich bei den Geschwistern mit Nachnamen Durham um eine Band, die sich Rock 'n' Roll und seinen Wegbereitern verschrieben hat, dem Blues, dem Swing, Country und Ähnlichem - man ist da nicht sehr wählerisch, Hauptsache es ist alt, jung ist man selbst.

Gespielt wird diese Musik auf möglichst aus der Zeit der Originalaufnahmen stammendem Instrumentarium, in Klamotten von damals, in der Art und Weise von früher, also gerne auch im Sitzen. Die Geschwister sind allesamt Multiinstrumentalisten, links auf der Bühne sitzt stolz der Herr Papa und zupft die Gitarre, rechts steht, wenn's stimmt, die Mutter am Bass, dazwischen rappelt's.

Daisy spielt hüpfend Show-Schlagzeug, und man möchte ihr den Rat geben, sich schon einmal bei Kieser fürs Reparaturtraining anzumelden. Kitty steht im Fransenhemd in der Bühnenmitte und atmet den Cowgirl-Blues durch die Mundharmonika, Lewis, das Bubi, spielt Gitarre.

Dann tauschen alle alles, die eine hackt am Hohner Clavinet, Bubi trommelt, die Haare von Kitty und Daisy fliegen. Alles eins a wie aus dem Rock-'n'-Roll-Benimmbuch. Jubel im Publikum, die Girls im Petticoat frohlocken, ihre Boyfriends mit den Tollen haben ein gutes Gefühl.

Aber mehr als gut nachgebaut wird an diesem Abend nicht. Zwar haben das Trio und seine Erziehnungsberechtigten all ihre Kunst brav verinnerlicht, aber sie scheinen mehr Energie darauf zu verwenden, alles hübsch nachzustellen als es tatsächlich zu empfinden, und diese Emphase auf das Publikum zu übertragen.

Wie adrette Museumswärter stehen sie auf der Bühne und bewegen sich so, wie sie es von Elvis, Jerry Lee oder Peggy Sue abgeschaut haben, saugen aus all dem sie umgebenden alten Klimbim vergeblich die Aura des Authentischen: Don't Make A Fool Out Of Me singen sie dazu, und es klingt angesichts des eigenen Tuns wie eine Verhöhnung.

Paarung als Ziel

Nach ein paar Liedern kommt Edward "Tan Tan" Thornton mit seiner Trompete auf die Bühne. Er brüllt ins Mikro, als würde er meinen, was er tut, und täuscht mit der Museumsfamilie einen Rocksteady an: I'm So Sorry heißt der Song - wegen dessen Titel man der Ironie weiteren Platz einräumen könnte - und ist ein weiteres Beispiel dieser Schablonenkunst, die vorführt, dass Kitty, Daisy & Lewis in der Musikschule auch das zu spielen gelernt haben.

Doch Liebe wird hier mit Lieblichkeit verwechselt, Hingabe mit Strebertum. Vielleicht ist es einfach nur wider die Natur, gemeinsam mit seinen Eltern eine wilde Musik aufzuführen, die weiterführend immer auch die Paarung als Ziel hat. Das geht weder im Beisein von Mama und Papa, und mit den Schwestern ist es außerdem verboten. Problem.

Da sind wir wieder bei Elvis angelangt. Der war auch ein Leben lang Muttersöhnchen, hatte dauernd ein schlechtes Gewissen, die falschen Freunde und war unglücklich. So kann's gehen, wenn man sich nicht emanzipiert, mit oder ohne Rock 'n' Roll. (Karl Fluch, DER STANDARD - Printausgabe, 27. September 2011)