
Volkstümelndes Kärnten und die Wirklichkeit zeigt die Neue Bühne Villach in "Zur goldenen Unschuld".
Villach - Als Christoph Grissemann und Dirk Stermann nach dem Tod Jörg Haiders den Totenkult in Kärnten parodierten, sah sich das Satirikerduo plötzlich mit Morddrohungen und öffentlicher Schelte konfrontiert.
Seither ist alles nüchterner geworden in Kärnten, und Verachtung fürchten muss nach der Uraufführung von Zur goldenen Unschuld in der Neuen Bühne Villach vor allem die Politik.
Das Stück nimmt sich aller Skandale im Land an, und dies auf Grundlage von Textbeiträgen der anerkanntesten Kärntner Dramatiker und Dramatikerinnen. Peter Turrinis Text gibt Anleitung, wie der in den Süden Reisende den schrecklichsten Teil des Weges "durch Kärnten durch" unbeschadet überstehen kann.
Ein Video visualisiert Turrinis Rat, 22 Stunden zügig zu marschieren und auf deutschtümelnde Bemerkungen mit Starren auf die Spitzen der eigenen Laufschuhe zu reagieren. Das Bühnenbild eines Gasthauses, in dem sich die Groteske abspielt, ähnelt einem Werbeplakat, in dem Maximilian Achatz und Katrin Ackerl-Konstantin im Jagdgewand vermeintlich Undurchsichtiges für das Publikum enttarnen. Die Gastarbeiterin aus Deutschland gibt als Kellnerin das Gerücht preis, dass die Kärntner Kasnudeln aus der Türkei eingeschleppt wurde.
Zur Tragödie mutiert das Stück, wenn Katrin Ackerl-Konstantin im Witwenmonolog von Ute Liepold Jörg Haiders Wirken aus weiblicher Perspektive am Publikum vorbeiziehen lässt.
Regisseur Erik Jan Rippmann hat vieles zusammenzufassen: Politiker, die 1,5 Milliarden Steuergelder versenkt haben und dennoch an der Parteispitze stehen, Bildungsreferenten, die Rechtsurteile als Politjustiz verhöhnen, Landesväter, die "Negerwitze" reißen. So viel Wahrheit über das eigene Land ist nur durch die hervorragenden Texte von Werner Kofler bis Josef Winkler und das tolle Schauspiel, zu ertragen. (Sabina Zwitter, DER STANDARD - Printausgabe, 27. September 2011)