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Die Fanwanderung von Hansi Hinterseer im August dieses Jahres soll angeblich die letzte für immer gewesen sein.
Bernhard Paul kniet im Streit Sido vs Jeannée vor der Krone - Zwei Austropopper zeigen, wie Loyalität aufÖ sterreichisch klingt - Und Hansi Hinterseers Hahnenkamm-Hochamt ist Geschichte
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Dieser Satz wird mich Sympathien kosten: "Sido oder Jeanée?" ist eine ähnliche Frage wie jene, ob Fendrich oder Ambros der größere Kotzbrocken sei. Klar, Schnupfen ist weniger schlimm als eine Lungenentzündung. Trotzdem: Nur weil Sido in der ORF-Kopie vom "Supertalent" dem Unsäglichen sagte, was zu sagen war, muss ich seine Machismen und homophoben Schlenkerer nicht cool finden. Auch wenn ich Art von Attitüde unterscheiden kann.
Doch wo war im "Skandal" eigentlich die Überraschung? Dass Michael Jeannée als "Manager" eines Promi-Heurigenwirtes a) auftreten und es b) zum Eklat kommen würde, war ja lange prähysterisiert worden. Und überrascht es wirklich, dass solche Figuren bei solchen Shows auftreten wollen? Plötzlich und unerkannt dürfte der Krone-Briefschreiber ja nicht im Studio aufgepoppt sein. Doch wer schlägt Jeannée etwas ab? Oder weist ihm die Tür?
Der Zirkusdirektor
Prompt bat Roncalli-Chef Bernhard Paul zum Kurs im angewandten Österreichertum. Die batzweiche Art, in der er sich davor drückte, Krone samt Wirtskörper zu eliminieren, war bezeichnend. Mehr noch, Paul schob bei der Bewertung mit seinem grünen Licht das Publikum in eine Zwickmühle - "weil ihr gebuht habt", so der Zirkusdirektor. Aber die Zuschauer ließen sich das nicht gefallen und hauten die beiden hinaus.
Diese Angst des Jurors vor dem Votum war ein Lehrstück im Delegieren von Verantwortung - plus vorauseilendem Gehorsam ("Der ist Journalist, der kann dich fertig machen", hatte Paul seinen Jurykollegen Sido gewarnt, als der Jeannée über den Mund gefahren war.) Bildungsauftrag erfüllt: Die Szene verriet alles über das Verhältnis zwischen der Krone und dem Rückgrat und den Eiern jener, die es in diesem Land zu etwas gebracht haben (oder bringen wollen).
Paritätisch schamlos
Hätte das Publikum nicht Pauls Feigheit vor dem Medienpartner ausgeglichen, wäre demnächst Wolfgang Fellner an der Reihe: Er hätte anmoderiert, wie Alexander Wrabetz mit einem einzigen Wasserball jongliert. Die Jury hätte das gelobt - und das fassungslose Publikum wäre ignoriert worden: Denn im Sinne des paritätischen Austro-Proporzes muckt kein Wichtiger auf - solange er mitbedient wird. Schamlosigkeit ist schließlich kein Privileg schwarzblauer Polit-Selbstbediener und roter Kabinetts-Inseratenbesteller: Das so etwas ermöglichende Duckmäusertum heißt hierzulande "Loyalität". Die gilt bis in den Tod. Aber den des Anderen - durch einen gezielten Hackelwurf ins Kreuz.
Womit auch der "Titanenkampf" der beiden Austropopper und momentan besten Ex-Freunde beschrieben wäre. Wolfgang Ambros hatte spät, zufällig während der Promotionarbeit für seine Biographie, erkannt, dass Rainhard Fendrich u.a. auf Schnee, vom dem schon Falco gesungen hatte, dass "wir alle (auf ihm) talwärts fahren", herumgerutscht war. Prompt jammerte der so bloßgestellte Fendrich, dass Ambros doch durch die Musik-Dino-Wiederbelebung A3 "sehr, sehr viel Geld verdient" habe. Um es mit Hans Krankl zu sagen: "Alles andere ist primär." Oder mit Falco: "Jetzt das Kinderlied!"
Hansi im Tal
Zwischen all dem ging die wahre Tragödie der Woche beinahe unter: Hansi Hinterseers "Aus" für seine Fanwanderung. Laut Homepage wegen fieser Berichte über das Hochamt am Hahnenkamm. Nicht erwähnt wird: Angeblich wollen Land und Gemeinde keine 500.000 Euro zuschießen, damit der Moonboot der Nation auch ein elftes Jahr en suite Kitzbühel in akustische Geiselhaft nehmen kann.
Dabei ist die Wanderung fast schön. Ich war einmal - 2009 - dort. Und beeindruckt. Natürlich klangt Hinterseers "Schauts auf Euch, schauts auf die Anderen - und schauts auf die Natur, die uns der Herrgott geschenkt hat", klebrig. Aber oben - und nur oben - am Berg war das echt: Es war drückend heiß, aber es gab ("Leitln trinkts! Oba koan Alkohol!") keine Alkleichen. Jeder wollte neben Hansi gehen, aber keiner rempelte. Und nachdem Hinterseer auf einem Speichersee seine Floßrunde gefahren war, verließen 10.000 Menschen die Höhe und hinterließen kaum ein Futzerl Dreck: Hansi hatte es so gewollt - und war glaubwürdig.
Doppelkonzert im Tennisstadion
Ich war beeindruckt - und enttäuscht: Weder Hinterseer noch seine (von Norwegen bis von den Philippinen angereisten) Fans hatten meine Erwartung erfüllt. Zum Glück folgte am Abend das Doppelkonzert im Tennisstadion. Das zementierte alle Vorurteile über verlogene Dulliöh-Glückseligkeit und unsägliches Dumpfbacken-Schunkelplayback ein: Ist es Kubricks "Full Metal Jacket", in dem der Kommandant der US-Truppen einen Napalm-Angriff über der eigenen Position anordnet? Genau das hätte ich mir gewünscht, als Gigi Anderson wie eine Mischung aus Frettchen, Animateur und Karl Schweitzer die Bühne enterte.
Nur: Ich war nicht Zielgruppe. Die, die freiwillig im Kitzbüheler Stadion waren, jubelten. Doch sie taten in ihrem Heile-Welt-Landhausstil-Bergidyll-Fake-Trachtentaumel niemandem etwas Böses. Sicher: Es war billig und abgekartet - aber eben mit einer klaren Trennlinie zur Wirklichkeit: Sogar das Verlogene war auf seine Art ehrlich. Denn Hansi Hinterseer tut zumindest nicht so, als gäbe es da noch etwas Anderes. (Thomas Rottenberg, derStanadrd.at, 26.9.2011)